Wohin steuert die HfMDK?

interview

Als Vi­ze­prä­si­den­tin für Hoch­schul­ent­wick­lung und aka­de­mi­sche In­fra­struk­tur ist es Bri­git­te Bin­der ein An­lie­gen, dass die HfMDK mit den An­for­de­run­gen der Ge­gen­wart und Zu­kunft nicht nur klar­kommt: Die Hoch­schu­le soll­te sich auch ihre Frei­räu­me er­hal­ten – auf Ba­sis ei­ner wert­schät­zen­den und of­fe­nen Or­ga­ni­sa­ti­ons­kul­tur. Hier stellt sie sich dem The­ma ge­mein­sam mit Con­stan­ze Gruh­le, Re­fe­ren­tin für Hoch­schul­di­dak­tik und Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung, und Emi­lia Probst, Re­fe­ren­tin für Di­gi­ta­li­sie­rung.

DO­KU­MEN­TA­TI­ON: TA­MA­RA WEI­SE

Frau Bin­der, was macht ein le­bens­wer­tes, krea­ti­ves Mit­ein­an­der an ei­ner Kunst­hoch­schu­le wie der HfMDK aus?

Bri­git­te Bin­der: Prä­gend sind aus mei­ner Sicht zu­nächst ein­mal As­pek­te wie Re­spekt, Freu­de an der Ar­beit, Wert­schät­zung für all die vie­len un­ter­schied­li­chen Kom­pe­ten­zen, die wir an der Hoch­schu­le ha­ben. Da neh­me ich kei­nen Be­reich aus.

»Es soll eine Hochschulkultur gepflegt und weiterentwickelt werden, in der sich jede und jeder Einzelne als Teil des Gesamten begreift, Gehör findet und Möglichkeiten der individuellen Entfaltung, Teilhabe und Mitwirkung erhält, annimmt und Verantwortung in ihren und seinem Bereich übernimmt.«Auszug aus den Allgemeinen Entwicklungszielen der HfMDK Frankfurt

Als Vi­ze­prä­si­den­tin sind Sie auch für die Ent­wick­lungs­pla­nung zu­stän­dig. Wel­che Rol­le spielt das Leit­bild der Hoch­schu­le für Ihre Ar­beit, für das Mit­ein­an­der ge­ne­rell?

Bri­git­te Bin­der: Das Leit­bild und die Ent­wick­lungs­pla­nung sind der Re­fe­renz­rah­men und da­mit die Ba­sis für un­se­re Kul­tur. Da­bei ist na­tür­lich klar: Kul­tur ist kein sta­ti­sches Ge­bil­de, das man in ei­nem Stra­te­gie­kon­zept fest de­fi­nie­ren könn­te, son­dern die Es­senz, die in ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on täg­lich ge­lebt wird. Man muss ge­zielt über­le­gen: Wie kommt man da­hin? Wie ge­lingt uns trotz al­ler Ver­än­de­run­gen und al­ler äu­ße­ren Dy­na­mik eine po­si­ti­ve und zu­gleich kom­pe­tenz­för­der­li­che Lern- und Ar­beits­um­ge­bung?

Wer­den Sie das oft ge­fragt?

Bri­git­te Bin­der: Die Fra­ge stel­le ich mir oft selbst, weil ich fin­de, dass es wich­tig ist, sich re­gel­mä­ßig und sys­te­ma­tisch zu re­flek­tie­ren. Das ei­ge­ne Ver­hal­ten, in­wie­fern man selbst zu Re­spekt und Wert­schät­zung bei­trägt, auch, wie man in die­ser Hin­sicht von sei­nem Um­feld wahr­ge­nom­men wird.

»Wir begegnen einander mit Wertschätzung, in wechselseitiger Anerkennung der Kompetenzen und schaffen eine Atmosphäre, in der Authentizität und Kreativität gedeihen können.«Auszug aus dem Leitbild der HfMDK Frankfurt

Wo hat Krea­ti­vi­tät hier ih­ren Platz?

Bri­git­te Bin­der: Krea­ti­vi­tät hat ih­ren Platz im Zen­trum un­se­res Han­delns. Letzt­lich geht es im­mer dar­um, Raum zu ha­ben und auch zu be­wah­ren, vor al­lem im über­tra­ge­nen Sinn – im Sinn von Frei­raum auch für geis­ti­ge Muße, weil nur in der Pau­se Krea­ti­vi­tät ent­ste­hen kann. Da­von ha­ben wir im All­tag oft zu we­nig, weil un­se­re Auf­ga­ben so zahl­reich sind und uns sehr for­dern. In un­se­ren Res­sorts be­schäf­ti­gen wir uns dar­über hin­aus aber auch mit vir­tu­el­len Räu­men, in de­nen man sich aus­pro­bie­ren kann. Wir ent­wi­ckeln die­se neu­en An­ge­bo­te sehr be­wusst, da wir über­zeugt da­von sind, dass sie un­ser be­währ­tes Port­fo­lio un­glaub­lich gut und krea­tiv er­gän­zen.

Tra­di­ti­on trifft auf Trans­for­ma­ti­on?

Bri­git­te Bin­der: So in etwa, Haupt­the­ma ist da­bei na­tür­lich die Zu­kunfts­fä­hig­keit un­se­rer Hoch­schu­le. Din­ge er­kun­den, Trans­fer leis­ten, so dass Men­schen auch in un­ter­schied­li­cher Kon­stel­la­ti­on zu­sam­men­kom­men und in Netz­wer­ken ar­bei­ten kön­nen. An­fangs sag­te ich, was prä­gend für uns ist. Für die Zu­kunft gilt: Wir müs­sen wei­ter an ei­ner Vi­si­on für die­ses Mit­ein­an­der ar­bei­ten, und zwar alle ge­mein­sam, in­di­vi­du­ell, kol­la­bo­ra­tiv. In dem rie­si­gen Trans­for­ma­ti­ons­pro­zess, in dem wir uns be­fin­den, braucht es Muße, Frei­raum, Ver­trau­en, Si­cher­heit. Ei­nen neu­en, po­si­ti­ven Um­gang auch mit ver­meint­li­chen „Feh­lern“, ein Be­wusst­sein für Ver­än­de­run­gen, Of­fen­heit – kei­ne Ge­schlos­sen­heit.

Con­stan­ze Gruh­le: Im Res­sort Hoch­schul­di­dak­tik be­glei­ten wir die­sen Wan­del mo­men­tan zum Bei­spiel, in­dem wir die di­gi­ta­le Leh­re un­ter­stüt­zen. Wir schaf­fen die not­wen­di­ge In­fra­struk­tur und auch An­ge­bo­te, die es al­len er­mög­li­chen, ihre Kom­pe­ten­zen zu ver­tie­fen. Das geht dann schon da­mit los, dass man erst­mal dar­über spricht, was di­gi­ta­le Leh­re für uns als Kunst­hoch­schu­le be­deu­ten kann oder be­deu­ten soll­te – denn nicht al­les, was wo­an­ders gut funk­tio­niert, funk­tio­niert auch gut für uns. Dar­über müs­sen wir ein­fach re­den. Wir kon­zen­trie­ren uns jetzt des­halb zu­nächst dar­auf, In­for­ma­tio­nen zu bün­deln und al­len, so kon­kret es geht, Raum für Er­fah­run­gen zu ge­ben.

Seminarraum, Fokus des Bilds liegt auf einem Monitor an der Wand, auf den ein Seminar aus einem anderen Raum übertragen wird.
Hybride Lehre: In fünf eigens ausgestatteten Unterrichtsräumen können Seminar-Teilnehmer*innen aus der ganzen Welt zugeschaltet werden.(Photo: Laura Brichta)

Kön­nen Sie ein Bei­spiel nen­nen?

Con­stan­ze Gruh­le: Di­gi­ta­le Vor­le­sun­gen bie­ten wir schon län­ger an und ent­wi­ckeln uns da auch im­mer wei­ter. Seit Be­ginn des Win­ter­se­mes­ters ha­ben wir jetzt fünf Räu­me spe­zi­ell für die hy­bri­de Leh­re um­ge­baut, und das auf eine Wei­se, dass man sich di­rekt wohl und will­kom­men fühlt. Die Räu­me wur­den kom­plett auf­ge­räumt und neu aus­ge­stat­tet. Heu­te kön­nen Stu­die­ren­de und Leh­ren­de hier Ge­sprächs­part­ner*in­nen aus der gan­zen Welt ein­bin­den.

Emi­lia Probst: In mei­nem Kon­text, Stich­wort di­gi­ta­le Pro­zes­se, geht es oft um Agi­li­tät, also um Fle­xi­bi­li­tät und Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on, auch um Chan­ge-Ma­nage­ment. Ich wür­de mich freu­en, wenn es uns ge­lin­gen wür­de, mit mög­lichst vie­len Ak­teu­ren aus­ge­reif­te Ver­än­de­rungs­pro­zes­se zu er­ar­bei­ten und eta­blie­ren, die uns in der Kon­se­quenz hel­fen, die di­gi­ta­le Trans­for­ma­ti­on nach­hal­tig zu ge­stal­ten.

Sie sind erst seit Juli in die­ser Po­si­ti­on. Was ist Ih­nen auf­ge­fal­len und was sind Ihre nächs­ten Schrit­te?

Emi­lia Probst: Ich habe ein ers­tes Stim­mungs­bild ein­fan­gen kön­nen. Mei­ne ers­te Maß­nah­me wäre des­halb, auch wenn es sim­pel klingt: Dass wir uns in der Hoch­schu­le zu­sam­men­set­zen und uns fra­gen, wie wir un­se­re Zie­le ver­ste­hen. Wir wol­len agil ar­bei­ten, aber wie ge­hen wir da­bei vor? Kön­nen wir agi­le Me­tho­den an­wen­den, in wel­chem Um­fang? Denn sei­en wir ehr­lich: Es wäre to­tal uto­pisch, da­von aus­zu­ge­hen, alle Pro­zes­se künf­tig kom­plett agil zu ge­stal­ten.

Bri­git­te Bin­der: Wich­tig ist da­für si­cher auch der Blick von au­ßen, wie wir ihn durch den Di­gi­tal­pakt Hes­sen ha­ben. Lan­des­weit sind alle 14 Hoch­schu­len be­tei­ligt, wir ge­win­nen neue Per­spek­ti­ven und Know-how zu na­he­zu je­dem Di­gi­tal­the­ma. Das hal­te ich für ganz we­sent­lich, weil es uns da­vor be­wahrt, im ei­ge­nen Mi­kro­kos­mos zu ver­har­ren. Ken­nen Sie die Ge­schich­te von den Frö­schen, die in ei­nem Teich vor sich hin le­ben und nicht er­ken­nen, dass drau­ßen am Ufer längst Pla­nier­rau­pen un­ter­wegs sind? So soll­te es uns nicht er­ge­hen.

Ar­bei­ten Sie be­reits nach agi­len Me­tho­den?

Bri­git­te Bin­der: Hoch­schu­len wa­ren in ge­wis­ser Wei­se schon im­mer an­ar­chis­tisch. An­de­rer­seits hat­te man eine Auf­bau­or­ga­ni­sa­ti­on, li­ne­ar und hier­ar­chisch, und man war nicht auf agi­les Ar­bei­ten aus­ge­rich­tet. Aber das bricht jetzt auf. Un­se­re Ar­beits­grup­pen be­set­zen wir häu­fig he­te­ro­gen, au­ßer­dem gibt es die Quer­schnitts­be­rei­che, in de­nen Kol­leg*in­nen aus meh­re­ren Be­rei­chen zu­sam­men­ar­bei­ten. Mit­hil­fe agi­len Den­kens und Wir­kens – und hier mei­ne ich nicht nur Me­tho­den – kön­nen wir Frei­räu­me, Krea­ti­vi­tät und Mo­ti­va­ti­on för­dern. Die Di­gi­ta­li­sie­rung be­trach­te ich in­so­fern durch­aus als Chan­ce, Selbst­ver­ant­wor­tung und Ge­mein­sinn zu stif­ten.

Das Mit­ein­an­der ver­än­dert sich, da­mit auch die HfMDK als Or­ga­ni­sa­ti­on und Ar­beit­ge­be­rin. Wie be­rei­ten Sie die Füh­rungs­kräf­te dar­auf vor?

Con­stan­ze Gruh­le: Im Be­reich der Hoch­schul­di­dak­tik geht es um die Ziel­grup­pe der Leh­ren­den, um Wei­ter­bil­dung, Work­shops, um Coa­ching. Da pas­siert viel, vor al­lem In­for­ma­ti­on und Be­ra­tung. Mein Job be­steht dar­in, für das The­ma zu in­ter­es­sie­ren, Auf­klä­rungs­ar­beit zu leis­ten und Kon­tak­te zu ver­mit­teln, und das auch in an­de­re Mu­sik­hoch­schu­len hin­ein. Füh­rungs­kräf­te in der Leh­re kön­nen dies auch für sich nut­zen.

Bri­git­te Bin­der: Idea­ler­wei­se sind Füh­rungs­kräf­te auch Vor­bild für ihre Mit­ar­bei­ter*in­nen und schaf­fen eine At­mo­sphä­re, in der le­bens­lan­ges Ler­nen po­si­tiv be­setzt ist und auch prak­ti­ziert wird. Bil­dung soll­te kein Lu­xus sein, wir kön­nen es uns nicht leis­ten, Po­ten­zia­le nicht zu ent­wi­ckeln.

An wel­che Po­ten­zia­le den­ken Sie beim The­ma Di­gi­ta­li­sie­rung?

Emi­lia Probst: Di­gi­ta­li­sie­rung ist trans­for­ma­tiv, sie än­dert die Art und Wei­se, wie wir in­ter­agie­ren und mit­ein­an­der ef­fi­zi­ent ar­bei­ten. Es geht nicht haupt­säch­lich um die Tech­nik. Wir ha­ben fest vor, ver­schie­de­ne For­ma­te an­zu­bie­ten, um den durch die Di­gi­ta­li­sie­rung aus­ge­lös­ten Ver­än­de­rungs­pro­zess un­ter­stüt­zend zu be­glei­ten.

Bri­git­te Bin­der: Der Wis­sen­schafts­rat hat im Som­mer Emp­feh­lun­gen zur Di­gi­ta­li­sie­rung in Leh­re und Stu­di­um ver­öf­fent­licht, un­ter an­de­rem wird hier the­ma­ti­siert, wie epo­chal der Wan­del ist, in dem wir uns be­fin­den. Ich den­ke, wir müs­sen sehr sorg­sam sein und mit Klar­heit und Acht­sam­keit wirk­lich prü­fen: Wer wol­len wir sein? Was ist un­ser Kern und was wol­len wir uns be­wah­ren? Im Au­ßen wird al­les en­ger, po­la­ri­sier­ter, Res­sour­cen sind hart um­kämpft – an­ge­sichts des­sen ist es ein ho­hes Gut zu sa­gen: Wir brau­chen Krea­ti­vi­tät, wir wol­len sie ak­tiv för­dern. Dass wir dar­um kämp­fen und das steu­ern müs­sen? Klar. Dass wir Er­geb­nis­se und Er­fol­ge brau­chen? Auch klar.

An der HfMDK zu ar­bei­ten, in fünf oder zehn Jah­ren: Wie könn­te das aus­se­hen?

Bri­git­te Bin­der: Un­se­re Zie­le, un­se­re Kul­tur, das ist work in pro­gress. Für die Zu­kunft wün­sche ich mir, dass wir mit mehr Leich­tig­keit ar­bei­ten. Mit Frei­raum, mit Freu­de, und dass sich die Din­ge selbst­ver­ständ­lich ent­wi­ckeln, alle ei­nen gu­ten Bei­trag leis­ten kön­nen – mit ih­ren in­di­vi­du­el­len Stär­ken und Qua­li­fi­ka­tio­nen. Da­für müs­sen wir uns zwar neu hin­ter­fra­gen, aber ich bin da­von über­zeugt, dass das der Weg sein wird.

Im Ge­spräch

Bri­git­te Bin­der ist seit dem 1. März 2020 haupt­amt­li­che Vi­ze­prä­si­den­tin der HfMDK. Die stu­dier­te An­glis­tin und Per­so­nal­ent­wick­le­rin ver­ant­wor­tet die Ge­schäfts­fel­der Hoch­schul­ent­wick­lung und Di­gi­ta­li­sie­rung.

Con­stan­ze Gruh­le bün­delt als Re­fe­ren­tin für Hoch­schul­di­dak­tik über­grei­fen­de und in­di­vi­du­el­le An­ge­bo­te aus den Be­rei­chen Leh­r­ent­wick­lung, Hoch­schul­di­dak­tik, E-Lear­ning und Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung – zur Stär­kung der Lehr­per­sön­lich­keit und der Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Leh­re.

Emi­lia Probst hat im Juli ihre neue Stel­le als Re­fe­ren­tin für Di­gi­ta­li­sie­rung in der Hoch­schul­lei­tung bei der Vi­ze­prä­si­den­tin Bri­git­te Bin­der an­ge­tre­ten. Hier wird sie die di­gi­ta­le Agen­da und Trans­for­ma­ti­on der HfMDK wei­ter vor­an­brin­gen.

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