Wo Verantwortung anfängt

Baustelle mit Holzbrettern und großem roten Plastikrohr, davor wächst eine Forsythie mit gelben Blüten.
(Foto: Laura Brichta)

Auf den Theaterbühnen ist der Klimawandel als Thema angekommen, hinter den Kulissen jedoch noch kaum. Ist es höchste Zeit, künstlerisches Produzieren neu zu denken, um zukunftsfähig zu sein?

Text: Friederike Thielmann

Während die inhaltliche Auseinandersetzung mit Fragen des Klimawandels auf der Bühne stark zugenommen hat, steht die konkrete Berücksichtigung des Klimaschutzes in der Theaterproduktion selbst erst am Anfang. In Bezug auf die Nachhaltigkeit stellen künstlerische Produktionen, zumal Theaterproduktionen, eine institutionelle Herausforderung dar, berühren sie doch querschnittsartig sämtliche betriebsökologischen Bereiche von der Verwaltung, den Gewerken, dem Gebäudemanagement bis zum Publikumsverkehr.

Die Pilotstudie der Kulturstiftung des Bundes „Klimabilanzen an Kulturinstitutionen“, veröffentlicht im vergangenen Jahr, erstellte mit 19 Kulturinstitutionen im „Konvoi-Verfahren“ einen CO2-Fußabdruck. Weitläufig fehlen jedoch strukturelle und finanzielle Kapazitäten zur Bilanzierung der Emission klimaschädlicher Treibhausstoffe sowie zur notwendigen Entwicklung eines strukturellen Nachhaltigkeitsmanagements.

Eine Reorganisation von betrieblich-administrativen Tätigkeitsfeldern wie Nachhaltigkeitsmanagement, Nachhaltigkeit von Gebäuden, Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Produktion und Mobilität (in Zusammenhang mit Prekarität) von Theaterproduktionen befragt die noch unveröffentlichte Studie von Maximilian Haas und Sandra Umathum „Förderung von Nachhaltigkeit“ im Rahmen von #TakeThat des Fonds Darstellende Künste als Teil des Programms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien – und setzt diese in einen Zusammenhang mit produktionsästhetischen Fragen.

Vom Überdenken zum Neudenken

Wenn künstlerisches Produzieren auf neue Rahmenbedingungen trifft im Sinne des minimalen Ressourcenaufwands, so wird schnell deutlich, dass ein Überdenken, gar ein Neudenken zukünftiger künstlerischer Arbeitsweisen und Selbstverständnisse erforderlich ist: Überproduktion und schnelle Verwertungslogik (manche Produktionen sind nach drei Aufführungen bereits wieder abgespielt) zwingen zu schnellen und billigen (und energietechnisch verausgabenden) Lösungen, die schlechte finanzielle Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern zu einer enormen Mobilität, um eine Vielzahl an Engagements wahrnehmen zu können.

Bestimmte und bereits erprobte Modelle wie Materialbibliotheken und Leihläden für Bühnenelemente und Technik, Lastenradverleihe oder das Ausweichen in digitale Arbeitsräume erfordern nicht nur andere Planungs- und Produktionszeiträume, sondern auch neue künstlerisch-ästhetische Entscheidungen: Statt des originären neuen Bühnenbildes kann etwa mit einem Einheitsbühnenbild gearbeitet werden oder ein bereits genutztes recycelt, anstatt immer alle in einem Raum zusammenzubringen, kann digital gearbeitet oder zugeschaltet werden und eine Grundsicherung von Künstlerinnen und Künstlern könnte das Selbstverständnis fördern, dass künstlerisches Arbeiten nicht an der Anzahl der Engagements gelesen werden muss – um nur wenige Punkte zu nennen.

Auf dem Weg zu einer künstlerischen und sozialen Nachhaltigkeit

Die anstehende Transformation künstlerischen Produzierens braucht Handlungsweisen, die neben der ökologischen, auch die soziale und ökonomische Nachhaltigkeit mit kritischer Aufmerksamkeit einbezieht. Sie braucht neben der Prüfung von Ressourceneinsparungen auch ein gewisses Verlernen der Produktion des autonomen Werks. Es gilt, eine künstlerische Produktionsweise zu erfinden, die Produktion und Sorgetätigkeit verbindet, wie es diverse dekoloniale, feministische und antikapitalistische Ansätze bereits formulieren. Eine künstlerische Nachhaltigkeit könnte modellhaft Handlungsweisen entwickeln, die auch in anderen betrieblichen Zusammenhängen einen Niederschlag finden könnten. Dazu braucht es mehr Orte der künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsarbeit. Die Kunsthochschulen können solche Orte sein.

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