„Vielleicht bist du schon viel weiter, als du denkst“
Im Studiojahr Schauspiel sind Studierende der HfMDK Teil des festen Ensembles an den Stadt- und Staatstheatern der Hessischen Theaterakademie, spielen regelmäßig vor Publikum und können Gelerntes ausprobieren. Zur Halbzeit reflektieren Lisa Edith Freiberger und Friedrich Brückner, wie Hochschulausbildung und erste Berufserfahrungen ineinandergreifen.
INTERVIEW: PIA SPRINGSKLEE
Fühlen Sie sich aus der Hochschule kommend gut vorbereitet, um den Anforderungen an einer professionellen
Bühne entgegentreten zu können?
Lisa Edith Freiberger: Absolut! Das Ziel der Hochschule ist es, uns ab dem ersten Semester für die professionelle Bühne auszubilden – und das macht sie sehr gut. Unsere Sprechausbildung ist exzellent, wir lernen, wie wir uns Rollen auf verschiedenste Weise aneignen können, wir haben Fecht- und Tanzunterricht und werden gleichzeitig auch auf die strukturellen und organisatorischen Fragestellungen unseres Berufs vorbereitet.
Friedrich Brückner: Natürlich ist es eine neue Erfahrung, nun im professionellen Spielbetrieb eines Staatstheaters zu arbeiten. Das ist selbstverständlich aufregend und auch erstmal mit Anstrengungen verbunden – sich vor Ort zu orientieren, Organisatorisches zu koordinieren und sich nicht zu verlaufen in den langen, verwinkelten Fluren. Aber Dank unseres hochwertigen Unterrichts an der Hochschule in den bisherigen zwei Jahren konnte ich mich ziemlich gut auf und hinter der Bühne im Theater zurechtfinden.
Was wünschen Sie sich rückblickend für Ihre Ausbildung, was hat gefehlt?
LEF: Alles in allem habe ich in den zwei Jahren vor dem Studio sehr viel gelernt und mich stark weiterentwickelt. Natürlich hätte ich manchmal gerne mehr Unterricht in dem einen oder anderen Fach gehabt, vielleicht wäre es auch hilfreich gewesen, sich auf eine Schauspielmethode zu fokussieren, aber konkret gefehlt hat mir nichts. Ein Teil von mir wäre auch gerne mal angeschrien worden, wie es immer heißt, dass es an Schauspielschulen gemacht wird, aber zum Glück ist das nicht die Art, wie bei uns unterrichtet wird.
FB: Eventuell wäre eine Fokussierung auf eine Schauspielmethode interessant gewesen. Wir bekommen von den Dozierenden umfängliche Einblicke in alle möglichen Spielweisen und Methodiken, haben auch Workshops zu diversen Techniken. Manchmal fehlt mir da eine klare Linie, auf der ich gehen kann. Andererseits haben wir so die Möglichkeit, Verschiedenes auszuprobieren, um dann zu entscheiden, was für uns persönlich am besten passt. Ich sehe diesen Einblick in die Vielfalt der Schauspieltechniken als Chance.
Hilft Ihnen das bisher Mitgegebene in der aktuellen Situation? Was hilft besonders?
LEF: Besonders hilft, dass wir jederzeit die Möglichkeit haben, unsere Mentorin und unsere Dozierenden zu kontaktieren und um Hilfe zu bitten, wir aber ansonsten als eigenständige Spieler*innen gesehen werden. Dadurch können wir uns ausprobieren, an den bestehenden Herausforderungen wachsen und sind doch nicht ganz auf uns allein gestellt. Auch der Rückhalt in der Klasse ist sehr groß, wir unterstützen uns, wo wir können, und stehen trotz der räumlichen Distanz in engem Kontakt.
FB: Besonders hervorheben will ich unsere exzellente Sprechausbildung an der HfMDK. Damit war es mir ein Leichtes, meine Stimme auch auf der großen Theaterbühne ohne Anstrengung bis in die letzte Reihe klingen zu lassen. Und regelmäßige Übungen und Warm-Ups helfen dabei, meine Stimme fit zu halten und weiterhin in der Probe und dann am Abend auf der Bühne effektiv einzusetzen. Aber auch der Bewegungs- und der Improvisationsunterricht von der Hochschule gibt uns eine sichere Grundlage, auf die wir dann im Theater aufbauen können. Der regelmäßige Austausch mit unserer Studiengangsleiterin rahmt den „Berufsalltag light“ am Theater ein und stärkt uns alle im Jahrgang.
Fühlen Sie sich durch Ihre Erfahrungen im Studiojahr als Künstler*in gestärkt?
LEF: Eindeutig! Im Studiojahr neue kreative Wege kennenzulernen, verschiedene Spielstile auszuprobieren und Erfahreneren beim Probieren zuzusehen hat mir gezeigt, welche Spielweisen mich interessieren, wo ich noch wachsen kann und was ich vielleicht auch schon ganz gut kann. Ich kenne mich heute als Künstlerin definitiv besser als vor einem halben Jahr und stehe durch die vielen Vorstellungen auch mit einem anderen Selbstvertrauen auf der Bühne. Das Ensemble und das Publikum sehen mein Spiel anders als die Leute an der Hochschule, mit denen ich schon lange und viel zusammengearbeitet habe. Eine Kollegin meinte mal zu mir: „Vielleicht bist du schon viel weiter, als du denkst. Du musst gar nicht mehr so viel über die Rolle nachdenken, du hast sie schon im Körper.“
FB: Definitiv. Bevor ich in der nächsten Produktion eine größere Rolle übernehme, habe ich bisher nur eine kleinere Rolle gespielt und bin dennoch schon daran gewachsen. Wir haben das Privileg, unter realen Berufsbedingungen am Theater gleichberechtigt im Ensemble zu spielen, und trotzdem noch eine Art Welpenschutz zu genießen. Die Spielerfahrung, die ich regelmäßig in Vorstellungen sammle, lässt mich viel selbstsicherer an Rollenarbeiten herangehen, die nächstes Jahr im Studium anstehen.
Was steht Ihrem Empowerment als Nachwuchskünstler*in noch im Wege?
LEF: Im Wege stehen uns die budgetären Kürzungen und der gesellschaftliche Rechtsruck. Weniger Geld bedeutet weniger Jobs für uns; kleinere Ensembles, weniger Gäste und weniger Produktionen. Der Rechtsruck bringt in Gefahr, wofür wir an den Theatern genauso wie gesellschaftlich in den letzten Jahren gekämpft haben – mehr Diversität, Geschlechtergerechtigkeit, faire Bezahlung.
FB: Jetzt fehlt nur noch, dass sich Leute mit festen Positionen in Intendanz, Regie, oder Dramaturgie unsere Inszenierungen im Studiojahr ansehen, uns interessant finden, uns daraufhin an ihre Theater zum Vorsprechen einladen. Darauf freue ich mich schon jetzt. Qué será será.