space to experiment and fail – and then to try again
Stiftungsgastprofessorin Liza Lim über ihre Auffassung von Empowerment junger Künstler*innen.
INTERVIEW: DR. KARIN DIETRICH
Karin Dietrich: Was ist dir – als Komponistin, Forscherin und Pädagogin – besonders wichtig, um junge Menschen zu stärken?
Liza Lim: Ich möchte junge Komponierende ermutigen, ihre eigene Stimme zu finden, ein Gefühl der Präsenz in sich zu entdecken, das ihnen gehört. Deshalb lege ich auch keinen besonderen Wert auf bestimmte stilistische Ansätze. Viele, mit denen ich zusammengearbeitet habe, komponieren in ganz anderen Stilen als ich. Einige Studierende müssen sich in die Rolle der Lehrperson hineinversetzen, um etwas aufzunehmen, und dann diese geliehenen Gewänder wieder ablegen. Mir scheint es aber sinnvoller, dass jemand etwas technisch Unbeholfenes macht, das den eigenen persönlichen Ausdruck widerspiegelt. Um herauszufinden, wer man ist, muss man viel an sich arbeiten; es kann sehr schmerzhaft, verwirrend und unangenehm, aber auch freudvoll sein. Jedenfalls denke ich, dass das der einzige Weg ist, zu wachsen – sowohl musikalisch als auch persönlich. Es geht darum, den inneren Kompass und das innere Zuhören zu stärken, denn die Welt ist voller Botschaften und Kräfte, die einen in verschiedene Richtungen ziehen. Da kann man sich leicht verirren.
Wie unterstützt du insbesondere Frauen auf ihrem künstlerischen Weg?
Frauen waren in der Komposition historisch gesehen unterrepräsentiert und systematisch ausgegrenzt, und ihre Leistungen wurden nicht ausreichend anerkannt oder ausgelöscht. Leider ist das in allen Bereichen der Kunst und Wissenschaft so, und ich finde, dass der positive Wandel nur langsam und ungleichmäßig voranschreitet, obwohl es in den letzten zehn Jahren auch in der zeitgenössischen klassischen Musik deutliche Fortschritte gegeben hat. Ash Fures Arbeit mit GRID in Darmstadt 2016 war ein Durchbruch in der Bewusstseinsbildung und -stärkung, der für meine eigene Arbeit in diesem Bereich sehr wichtig war.
Welche Aufgaben haben dabei Hochschulen und die Gesellschaft im Allgemeinen?
Man kann mit Instrumenten wie Quoten und der Schaffung spezifischer Möglichkeiten recht schnell Ergebnisse erzielen, das habe ich mit dem Programm „Composing Women“ am Sydney Conservatorium of Music versucht. Ermutigend an dieser Arbeit ist, dass die Organisation von dem, was ich als „Veränderung erster Ordnung“ bezeichne – es kamen mehr Frauen in das System, sodass die Dinge vielfältiger aussahen – zu einer „Veränderung zweiter Ordnung“ wurde. Viele Absolventinnen des Programms haben jetzt feste Stellen als Dozentinnen und treiben ihre kompositorische Karriere voran. Hier sehen wir also einen stärkeren strukturellen Wandel: Frauen übernehmen Führungsrollen, unterrichten, leiten, kuratieren, erhalten Aufträge, d. h. sie nehmen Raum ein und haben mehr Macht, weitere Veränderungen zu bewirken. „Veränderungen dritter Ordnung“ (und „n-ter“ Ordnung) sind weitere Prozesse, bei denen die Systeme aufgrund der Präsenz vielfältigerer Perspektiven beginnen, neue Prioritäten zu „denken“.
Aber es ist seltsam, dass wir im Jahr 2025 immer noch Argumente dafür vorbringen müssen, dass die Hälfte der Weltbevölkerung das Recht auf ein erfülltes Leben haben sollte ... und zutiefst traurig, dass sich die Grundrechte der Frauen vielerorts wieder zurückentwickeln.
Es ist meiner Meinung nach von entscheidender Bedeutung für Wachstum und Stärkung, dass man Raum zum Experimentieren und Scheitern erhält und immer aufs Neue versuchen kann, herauszufinden, was funktioniert. Ich würde sagen, dass offene Strukturen für Zusammenarbeit und spekulative Arbeit für tiefgreifendes Lernen unglaublich wertvoll sind. Mein persönlicher Erfolg kam nur zustande, weil ich viele Dinge ausprobieren konnte. Ich habe viele „Misserfolge“ erlebt und unzählige Fehler gemacht und mache sie immer noch. Die Perspektive, dass etwas, das „nicht funktioniert“, zu etwas Funktionierendem führt, ist sehr nützlich. Sich mit dieser Verletzlichkeit auseinanderzusetzen, hilft auch mit dem Leben im Allgemeinen.
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