Und jetzt alle!

Zwei Kinder mit Musikinstrumenten, vor ihnen ein Student mit einer Gitarre.
(Foto: Laura Brichta)

Elementare Musikpädadogik ist in Krisenzeiten doppelt wichtig. Richtig? Eine Einordnung von Nathalie Dahme.

Wenn jemand ein Instrument erlernen möchte, gibt es dafür Instrumentalpädagog*innen. Diese haben sich methodisch-didaktisch auf das Erlernen des Instruments spezialisiert – ob im Einzel- oder im Gruppenunterricht, ob an Musikschule, Grundschule oder privat. An allgemeinbildenden Schulen gibt es für das gemeinsame Musizieren Musiklehrer*innen, die im Lehramtsstudium dafür ausgebildet wurden. In Konzerthäusern und anderen Kulturinstitutionen gibt es Musikvermittlungsabteilungen.

Dort werden diverse Formate für Gruppen unterschiedlichsten Alters konzipiert und umgesetzt. In Kindertagesstätten singen und musizieren pädagogische Fachkräfte mit ihren Gruppen, in den Ausbildungen ist Musik- und Bewegungsunterricht ein fester Bestandteil. In der sozialen Arbeit wird gesungen und musiziert, auch gibt es zahlreiche Fortbildungen, in denen es um das Musizieren, Singen, die Symbiose von Singen und Spracherwerb und vieles mehr geht.

Diese Liste könnte ewig fortgesetzt werden. Überall gibt es Musik – es wird musiziert und gesungen, Musiktheater gespielt und getanzt. Aber wozu dann noch die Elementare Musikpädagogik, kurz EMP?

Eine Welt ohne Elementare Musikpädagogik:

  • hätte deutlich weniger Schüler*innen an öffentlichen und privaten Musikschulen. Nicht nur Gruppenkurse der EMP steigern die Schüler*innenzahlen und bieten Kindern und Familien ein voraussetzungsoffenes Musikangebot. Die Kurse machen vielmehr Lust auf mehr – u. a. sich selbst musikalisch zu beschäftigen, ein Instrument zu erlernen, gemeinsam zu Hause zu musizieren
  • würde Kindertagesstätten teilweise verstummen lassen. Es würde weniger gesungen werden, da musikalische Angebote in Kooperationen mit Musikschulen und anderen Institutionen fehlen würden. Auch ein großer Teil an Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte fiele weg, sowie ein Teil des Musikunterrichts in Sozialpädagogischen Fachschulen
  • würde auch in (Grund-)Schulen musikalische Angebote reduzieren, da viele Projekte in Kooperation mit Musikschulen stattfinden – genauer gesagt: mit Elementaren Musikpädagog*innen
  • hätte weniger Musikvermittler*innen in Konzerthäusern und anderen Institutionen, denn ein Teil der EMP-Absolvent*innen arbeiten in diesem Bereich
  • hätte deutlich weniger voraussetzungsoffene, musikalische Angebote für alle Zielgruppen – von jung bis alt. Nicht nur die Musikalische Früherziehung, Eltern-Kind-Gruppen, Angebote im Bereich „Musizieren im Alter“ würden fehlen, sondern auch viele weitere Angebote im Bereich der (früh-)kindlichen, musikalischen Bildung, der Erwachsenenbildung und Musikgeragogik
Drei Gitarristinnen bei einer gemeinsamen Jamsession in einem Unterrichtsraum der HfMDK Frankfurt.
Jamsession – ein neues Angebot für musikbegeisterte Erwachsene in Frankfurt.(Foto: Maya Herrera Torrez)

Persönlichkeitsentwicklung durch musikalische Aktivitäten

All diese aufgezählten Punkte sind nicht die einzigen Gründe, weshalb die Elementare Musikpädagogik ihre Notwendigkeit in Welt und Gesellschaft hat. In der Elementaren Musikpraxis verbinden sich musikalische und persönlichkeitsbildende Zielsetzungen miteinander.

In ihrem Buch „Elementare Musikpädagogik. Persönlichkeitsbildung als musikerzieherisches Konzept“ beschreibt Juliane Ribke neben musikalischen Zielen u. a. auch psychologische Ziele. So hilft ihrer Ansicht nach musikalische Betätigung in der Gruppe, sich selbst geborgen und sicher fühlen zu können und in seiner Selbstwahrnehmung gefördert zu werden. Ebenso könnten Teilnehmende Beziehungen zu Gruppen aufbauen und lernen, zurückzutreten und zu verzichten. Das Ertragen eines Befriedigungsaufschubs führe dann zu einer Steigerung des Durchhaltevermögens. Die von Ribke genannten sozialen Ziele in einer Gruppe – einander  wahrzunehmen, abzuwarten und eine Reihenfolge einzuhalten, Ideen anderer zu akzeptieren und aufeinander Rücksicht zu nehmen, sich mitverantwortlich zu fühlen für die Gruppe und das musikalische Geschehen – haben nicht nur direkten Einfluss auf das gemeinsame Musizieren, sondern können sich auch auf das Zusammenleben in einer Gesellschaft auswirken. Auch wenn diese These nicht ausreichend empirisch belegt werden kann, sind die Wirkungen und Transfereffekte von Musizieren eine weit verbreitete pädagogische Erfahrung.

Chancen für Frankfurt und die HfMDK

In Angeboten der Elementaren Musikpädagogik sind ausdrücklich alle Menschen willkommen. Da sie auf Strömungen der Gesellschaft mit neuen, musikalisch, künstlerisch-pädagogischen Projekten und Angeboten reagiert, ist die EMP stets am Puls der Zeit. So wird Diversität und Inklusion gelebt, da Musizieren ohne Worte, ohne besondere Vorbildung und unabhängig von vorwiegend gesellschaftlich gesetzten Unterschieden möglich ist.

Finden offene Angebote in Kooperation mit oder sogar in der HfMDK statt, schlägt die Elementare Musikpädagogik eine Brücke zwischen Institution und Bevölkerung und kann verbindendes Element sein. So erhalten verschiedenste Menschen, auch jenseits des schon bestehenden Publikums, die Möglichkeit, die Hochschule und freies Musizieren auf eine neue Art und Weise kennenzulernen.

Die Angebote der EMP an der HfMDK machen dabei nur einen kleinen Teil im kulturellen Spielfeld der Stadt Frankfurt aus. Es wäre aber zu wünschen, dass diese eine Strahlkraft entwickeln und andere Musikpädagog*innen ermutigen – und zu eigenen Projekten inspirieren.

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