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09.07.2024

17:00 18:00

Folk­wang Bo­chum: „Die Fle­der­maus“

Sechs Darsteller*innen in schwarzen barocken Kostümen und eine Darsteller*in in einem goldenen Kostüm mit Trompete stehen auf einer weißen großen Wolke auf der Bühne.
(Foto: Katharina Kemme)

Folkwang Universität der Künste Essen/Bochum 

„Die Fledermaus“ von David Gieselmann nach der Operette von Johann Strauß 

Es spielen

 

  • Dr. Falke, Notar: Linet Arndt 
  • Ida, Adeles Schwester/Entourage von Dr. Falke: Lena-Sophie Baer 
  • Frank, Gefänginsdirektor: Anton Engelmann 
  • Prinz Orlofsky: Sarah Flechtker 
  • Frosch, Gefänginswärter/Entourage von Dr. Falke: Tom Gerhartz 
  • Alfred: Camillo Guthmann 
  • Gabriel von Eisenstein: William Hauf 
  • Entourage von Dr. Falke: Paula Julie Pitsch 
  • Dr. Blind, Advokat: Justus Rosenkranz 
  • Rosalinde, Eisensteins Frau: Anna Tabea Stockbrügger 
  • Adele, Rosalindes Bedienstete: Salome Zehnder 

Synopsis

Ein Badeort in der Nähe einer großen Stadt. Die Zeit zwischen dem frühen Abend und dem nächsten Morgen.

Akt I
In der Wohnung der Eisensteins

Gabriel von Eisenstein muss ins Gefängnis; im Prozess fällt die Haftstrafe länger aus als erwartet, weshalb er seinen Anwalt Dr. Blind übel beschimpft. Sein alter Freund Dr. Falke kommt vorbei und erzählt von der Party eines russischen Prinzen. Eisenstein entscheidet, vor dem Gefängnisaufenthalt noch auf diese Party zu gehen. Seine Frau Rosalinde wird, kaum ist Eisenstein aus dem Haus, von ihrem ehemaligen Liebhaber Alfred verführt. Es erscheint Gefängnisdirektor Frank, um Eisenstein zu verhaften, und nimmt fälschlicherweise Alfred mit. Um Rosalinde nicht zu kompromittieren, lässt Alfred sich als Eisenstein abführen. Adele, Bedienstete im Haushalt Eisenstein, erhält von ihrer Schwester Ida eine Einladung zu eben dieser Party. Sie täuscht die Krankheit einer Tante vor, um den Abend frei zu bekommen, was ihr von Rosalinde zunächst versagt, später aber zugestanden wird.

Akt II
Ein Ball im Haus des Prinzen Orlofsky

Fast alle Gäste sind versammelt, als Gastgeber Prinz Orlofsky seinen großen Auftritt hat. Von allen bewundert murmelt er allerdings nur schwer verständliches Zeug; die Phantasieübersetzungen der Dolmetscherin Ida tragen zur Erheiterung der Ballgäste bei. Gabriel von Eisenstein und Gefängnisdirektor Frank erscheinen und werden von Falke als Marquis Renard und Chevalier Chargrin in die Gesellschaft eingeführt. Man feiert, flirtet, trinkt, tanzt. Höhepunkt des Balls ist das Erscheinen einer ungarischen Gräfin - diese maskierte Gräfin ist Rosalinde. Sie ertappt ihren Mann auf dem Ball, und es gelingt ihr mit einem Trick, ihm seine Uhr abzuluchsen. Als es um 3 Jahre zurückliegende Ereignisse nach einem früheren Maskenball geht, wird Falke zornig. Damals hatte Eisenstein Falke völlig betrunken im Fledermauskostüm am Straßenrand liegen lassen. Eine tiefe Demütigung, die Falke nicht vergessen kann, und - so sein Plan - für die er sich heute rächen wird. Falke verkündet, dass er allen Gift in den Champagner gemischt hat und die Zeit bis zu ihrem Tod nun tickt. Schließlich ist es sechs Uhr am Morgen.

Akt III
Im Gefängnis

Nach und nach kommen alle im Gefängnis zusammen. Noch leben sie. Alfred ist in Zelle Nr. 12 untergebracht. Wärter Frosch, selbst leicht betrunken, kümmert sich um alles und begrüßt die wiederum stark betrunkenen Herren Frank, Eisenstein und Blind. Auch Ida und Adele treffen ein. Rosalinde besucht Alfred. Es folgen unerwartete Wendungen…

"Die Operette, eine Industrie,

die tausende von Menschen ernährt, sollte sich's wohl gefallen lassen, zu jenen Gebrauchsartikeln gerechnet zu werden, welche dem Bürger zur behaglicheren Ausstattung des täglichen Lebens dienen wie Warenhäuser, Automobile, sexuelle Aufklärung wie all jene wohlfeilen Surrogate, welche in unseren Tagen die Illusion von Bildung und Luxus unter die Massen tragen."
Klaus Pringsheim, Schwager von Thomas Mann, 1912

Damit bringt er es auf den Punkt: Kapitalismus und Operette gehören untrennbar zusammen. Beide leben von der Illusion des Surrogats, vom falschen Schein, dessen Glanz die gesellschaftlichen Zusammenhänge verschleiert und damit zugleich ironisch aufhebt. Dieses Utopia ständiger Verfügbarkeit kennt keine Moral. Es ist jedem zugänglich, vorausgesetzt er kann zahlen.

Die Beliebtheit des Maskenballs wird nicht nur durch seine häufige Veranstaltung bei den verschiedensten Feierlichkeiten belegt, sondern auch dadurch, dass er gerne als literarisches Motiv in Schauspiel und Oper aufgegriffen wurde. Auf der Bühne bereitete der Maskenball das „galante Ambiente“ für Verwechslungssituationen und amouröse Abenteuer, die zuweilen auch bei den tatsächlichen Kostümbällen zu beobachten waren. Dem Maskenball wird in der literarischen Verarbeitung der Status eines scheinbar zeremoniellfreien Raumes zugesprochen: Unter dem Schutz der Maske können sich Bürger*innen und Adel über Standesgrenzen hinweg einander annähern. Die Rangunterschiede scheinen aufgehoben, die Versöhnung aller Stände, Nationen und Religionsgemeinschaften wird durch das harmonische Beisammensein der vielfältigen Masken fingiert.

Billige Unterhaltung? Man wollte in Wien, genau wie in Paris, bei der Operette unter sich bleiben und war weit entfernt vom Klischee, das heute viele Menschen mit Operette verbinden, dass die Gattung eine billige Unterhaltung für die Massen sei. Das Gegenteil war in Wien (und Paris) der Fall, ursprünglich. Es versammelten sich dort neben den Mitgliedern der kaiserlichen Familie jene Zirkel, die sich nach den Aufständen von 1848 neu etabliert hatten: Die Finanzwelt, der wohlhabende Mittelstand.

Szene aus Die Fledermaus, im Vordergrund eine Darstellerin, die mit großer Perücke ausgestattet ist und sehnsüchtig nach links blickt.
(Foto: Katharina Kemme)

Team & Credits

 

Regie: Katharina Birch
Bühne und Kostüm: Georg und Paul
Dramaturgie: Dorothea Neweling

Produktion des 3. Jahrgangs 

Aufführungsrechte: Rowohlt Theater Verlag 

Premiere: 16. März 2024 im Schauspielhaus Bochum 

Ursprüngliche Fassung: 80 Minuten (ohne Pause) 

Darsteller*innen aus Die Fledermaus liegen auf dem Boden und auf dem Bühnenelement, scheinbar erschöpft
(Foto: Katharina Kemme)

Programmheft