Acting Out Music
Entwicklung methodischer Werkzeuge für die Arbeit mit Kammermusikensembles mittels Übertragung von Ansätzen aus der Schauspielmethodik
Beschreibung
Das Forschungsprojekt „Acting out music - was wir spielen, warum und wie“ setzt sich mit der Frage auseinander, inwiefern Methoden aus dem Schauspiel den künstlerischen Prozess von Musiker*innen bereichern können.
Dabei werden Techniken und Methoden in die Ensemble - und Interpretationsarbeit von Kammermusikgruppen integriert, die Schauspieler*innen in der Arbeit an der Rolle anwenden. Außerdem wird erprobt, inwieweit Partnerspiel-Übungen aus Schauspielmethoden die Interaktion in den Ensembles beleben und Spontaneität in der musikalischen Kommunikation fördern können.
Dieser interdisziplinäre Ansatz scheint sinnvoll angesichts der Tatsache, dass sich beide Disziplinen - Schauspiel und Musik - mit einer ähnlichen Aufgabenstellung konfrontiert sehen: der Interpretation von Text, d.h. der Aufgabe, das Verhältnis von fixiertem Text und dessen Interpretation individuell auszuloten und auf der Bühne sinnhaft werden zu lassen.
Interpretation setzt in beiden Disziplinen sowohl die Fähigkeit genauen Lesens und Dechiffrierens des vom Autor Geschriebenen und des Identifizierens des Nicht-Geschriebenen voraus als auch die Fähigkeit, diesen Verstehensprozess aktiv, intuitiv und mit künstlerischer Fantasie im Spiel umzusetzen.
Zudem interessiert im Kontext dieses Forschungsprojekts die Rolle des Ensembles als eines Kollektivs von Individuen, deren künstlerische Potentiale in möglichst umfassender Weise zur Entfaltung kommen sollen. Im Mittelpunkt steht die gemeinsame Entwicklung der Interpretation.
Ziele
Als Ziel musikalischer Interpretationsarbeit lässt sich ausmachen: den individuellen Ausdruck so ins Verhältnis zum gespielten Werk zu setzen, das dessen Potential in möglichst umfänglicher Weise entfaltet wird.
„Acting out music“ hat sich zum Ziel gesetzt, im Prozess dieser Arbeit die in einer anderen Disziplin erprobten und erfolgreichen Pfade zu nutzen und damit das Methodenspektrum für die Arbeit in Kammermusikgruppen zu erweitern.
Umsetzung
Im Rahmen von „Acting out music - was wir spielen, warum und wie“ arbeitet das Forschenden- und Dozierendenteam mit einer Gruppe von 16 Studierenden in acht Kammermusikgruppen. Dabei findet der größte Teil der Arbeit in den jeweiligen Ensembles statt, Warm-ups und einige Übungen auch in der Gesamtgruppe.
Die Arbeit des interdisziplinären Lehrendenteams - Prof. Martin Nachbar (Szenische Körperarbeit), Prof. Hansjacob Staemmler (Kammermusik), Prof. Stephanie Winker (Flöte), Marc Prätsch (Rollenstudium), Prof. Dr. Tobias Bleek (als Gast, Musikwissenschaft) - mit den 16 Studierenden erfolgte im Rahmen eines Einführungstages am 13.01.2025 und eines Arbeitswochenendes in der Landesmusikakademie Schlitz vom 21.-23.02.2025. Das Projekt findet seinen Abschluss in einer Veranstaltung in der HfMDK am 09.07.2025.
Das Programm des Projekts basiert auf drei Säulen: Praktische Arbeit, Reflektion, Dokumentation. Alle durchgeführten Übungen sowohl in der Gesamtgruppe als auch in den Einzelensembles werden per Video dokumentiert. Die Studierenden führen während der Dauer des Projekts Probentagebücher. Zudem werden die einzelnen methodischen Bestandteile wie auch das Gesamtprojekt evaluiert.
Im Fokus der Forschungsarbeit stehen drei Methoden, die im künstlerischen Prozess der Ensembles erprobt wurden.
- „Sourcetuning“. Die von Jens Roth entwickelte Schauspieltechnik zielt darauf ab, intuitive Zugänge zur Rolle zu entwickeln, die im Moment des Spiels auf der Bühne abgerufen werden. Im musikalischen Interpretationsprozess wird diese auf einer sensibilisierten Körperwahrnehmung basierenden Technik auf Motive/ Themen angewandt. Sourcetuning öffnet Möglichkeiten intuitiven Verstehens emotional-psychologisch komplexer musikalischer Elemente und Situationen. Auch zeigte sich die Eignung der Technik in Bezug auf die Bezüge von Motiven/ Themen zueinander und der Rollenverhältnisse innerhalb des Ensembles.
- „Psychologische Geste“. Die von Michail Čechov als Probenmethode entwickelte Technik zielt darauf ab, Erleben aus Verkörperung zu generieren. Die psychologische Geste führt im Probenprozess zu einem intensiveren Zugang zum Innenleben und den Motivationen der Rolle. In der Aufführung ist sie für den Zuschauer nicht sichtbar, bleibt jedoch als erinnerte, abrufbare Inspirationsquelle Teil des Spiels. Im Partiturstudium werden wichtige, für das Werk konstituierende Motive identifiziert und in die Psychologische Geste umgesetzt. Die Geste hat das Erleben des psychologischen Gehalts musikalischer Motive und Themenkonstellationen zur Folge und fördert deren intuitives Verstehen.
- „Szenische Improvisation“. Narrative und Bilder, die im künstlerischen Prozess von den Ensemblemitgliedern entwickelt wurden, werden in szenischer Improvisation umgesetzt. Die durch diese experimentelle Form von Verkörperung gesammelten psychophysischen Erfahrungen beleben anschließend die Spielfantasie der Spielenden und verleihen der Ausformung der Interpretation mehr Plastizität und der Interaktion im Ensemble mehr Lebendigkeit.
Diese Methoden und Techniken werden in der werkbezogenen Arbeit mit den Einzelensembles verwendet.
In der Gesamtgruppe werden außerdem nicht-werkbezogene Übungen erprobt. Das Partner- und Ensemblespiel wird auf spielerische Weise durch die Übung „The Game about the sock“ nach Philippe Gauliér adressiert. In Hinführung auf die in der werkbezogenen Arbeit zentrale Technik der psychologischen Geste wird die Gruppenübung „Sound Gesture“ eingeführt.
Ergebnisse und Erkenntnisse
Derzeit befindet sich das Projekt in der Phase der Auswertung der gesammelten Daten aus Evaluation, Videodokumentation, Probentagebücher. Besonderes Augenmerk gilt dabei dem Vorher-/ Nachhervergleich im Spiel der teilnehmenden Ensembles, die sich jeweils zunächst vor Beginn, dann am Ende der experimentellen Interventionen in einem Vorspiel präsentierten.
Hansjacob Staemmler, Martin Nachbar, Stephanie Winker und Marc Prätsch