Symposium zur Inklusion in der Schauspielausbildung

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Ein Sym­po­si­um an der HfMDK ent­wi­ckelt Per­spek­ti­ven auf die Teil­ha­be von Men­schen mit kör­per­li­cher und ko­gni­ti­ver Be­hin­de­rung in den Dar­stel­len­den Küns­ten

In­klu­si­on be­deu­tet, dass je­der Mensch ganz na­tür­lich da­zu­ge­hört. Dass alle mit­wir­ken dür­fen und kön­nen, un­ab­hän­gig von kör­per­li­chen und ko­gni­ti­ven Merk­ma­len. So sim­pel die­se De­fi­ni­ti­on auch klingt: Die Rea­li­tät zeigt uns, dass es ein lan­ger Weg ist, bis un­se­re Ge­sell­schaft, un­se­re Le­bens­wel­ten und un­se­re Denk- und Ar­beits­pro­zes­se wirk­lich in­klu­siv sind. Denn das sind wir erst, wenn alle – ohne Aus­nah­me(n) – mit­ma­chen dür­fen. Ob bü­ro­kra­ti­sche Hür­den, man­geln­des Ver­ständ­nis oder feh­len­de Fi­nan­zie­rung – Grund­sät­ze, die ei­nen Aus­schluss for­cie­ren, fin­den wir auch im Jahr 2023 noch viel zu oft vor. Da­bei ist es so wich­tig, das zu ver­än­dern.

An hes­si­schen Hoch­schu­len etwa ist die be­din­gungs­lo­se Teil­ha­be im Hoch­schul­ge­setz ver­an­kert. So­zia­le Ver­ant­wor­tung lau­tet der Grund­satz, der ge­ra­de in künst­le­ri­schen und kul­tu­rel­len Be­rei­chen so wich­tig ist. Doch wie wird man die­ser Ver­ant­wor­tung ge­recht, wenn sich etwa an Hoch­schu­len für Schau­spiel­kunst zeigt, dass sich Men­schen mit kör­per­li­cher oder ko­gni­ti­ver Be­hin­de­rung gar nicht erst für ein Stu­di­um des Schau­spiels be­wer­ben? Wor­an liegt das? Und was kön­nen Kunst­hoch­schu­len tun, um auch die­se Men­schen zu er­rei­chen, zu er­mu­ti­gen und ein­zu­la­den?

Am 16. und 17. De­zem­ber 2022 fand an der HfMDK ein Sym­po­si­um zur In­klu­si­on mit Fo­kus auf kör­per­li­cher und ko­gni­ti­ver Be­hin­de­rung statt und wid­me­te sich eben die­sen Fra­gen. Die Or­ga­ni­sa­tor*in­nen des Sym­po­si­ums, Sil­ke Rü­din­ger, Marc Prätsch und Brit­ta Sche­rer und steck­ten sehr vie­le Ge­dan­ken in die Vor­be­rei­tung und wur­den bei der Pla­nung und Ge­stal­tung von der Schau­spie­le­rin, Per­for­me­rin und Tän­ze­rin Jana Zöll be­ra­ten. Denn: Wie be­spricht man ein so wich­ti­ges, aber auch brei­tes The­ma wie In­klu­si­on? Wen be­fragt man dazu? Wer bringt die Ex­per­ti­se mit, die Wis­sen­schaft, Hoch­schu­le und Thea­ter­be­trie­be be­nö­ti­gen, um in­klu­siv zu wer­den? Es zeig­te sich in den vor­an­ge­gan­ge­nen Ge­dan­ken- und Aus­tausch­pro­zes­sen im­mer wie­der, wie schnell sich In­klu­si­on in un­zäh­li­ge Teil­the­men auf­lö­sen kann. Da­her stand bei der Kon­zep­ti­on der Fo­kus auf ei­nem Be­reich im Vor­der­grund: die ge­gen­wär­ti­ge Auf­nah­me­si­tua­ti­on in den Stu­di­en­gang Schau­spiel an Kunst­hoch­schu­len. Die­se Kon­zen­tra­ti­on er­mög­lich­te es den Or­ga­ni­sa­tor*in­nen, auch ein kon­kre­tes Ziel zu for­mu­lie­ren: näm­lich dass Men­schen mit Be­hin­de­run­gen sich an­ge­spro­chen und ein­ge­la­den füh­len, ein Schau­spiel­stu­di­um an Kunst­hoch­schu­len in Be­tracht zu zie­hen und sich da­für zu be­wer­ben.

Blick in die Tagungsräumlichkeiten des Symposiums
(Foto: Hansjörg Rindsberg)
Blick in die Tagungsräumlichkeiten des Symposiums
(Foto: Hansjörg Rindsberg)
Blick in die Tagungsräumlichkeiten des Symposiums
(Foto: Hansjörg Rindsberg)
Blick in die Tagungsräumlichkeiten des SymposiumsBlick in die Tagungsräumlichkeiten des Symposiums
(Foto: Hansjörg Rindsberg)
Blick in die Tagungsräumlichkeiten des Symposiums
(Foto: Hansjörg Rindsberg)
Blick in die Tagungsräumlichkeiten des Symposiums
(Foto: Hansjörg Rindsberg)

Die zwei­tä­gi­ge Ver­an­stal­tung dien­te der Dis­kus­si­on und Er­ör­te­rung, der Im­puls­set­zung und des Ide­en­aus­tauschs. Maß­geb­lich dar­an be­tei­ligt ne­ben Jana Zöll wei­te­re ein­ge­la­de­ne Gäs­te:  die HfMDK-Alum­na und Schau­spie­le­rin am Schau­spiel Han­no­ver Al­run Ho­fert, die aus Film und Fern­se­hen be­kann­te Schau­spie­le­rin Lui­sa Wöl­lisch der Münch­ner Kam­mer­spie­le, der For­scher, Fes­ti­val­lei­ter, Com­pa­ny Ma­na­ger und Weg­be­rei­ter für In­klu­si­on im Tanz Dr. Gus­ta­vo Fi­ja­l­kow so­wie der Au­tor, Re­gis­seur und In­klu­si­ons­ex­per­te Jan Mey­er. Das Sym­po­si­um bot den Teil­neh­men­den da­bei ei­nen angst­frei­en und ge­schütz­ten Raum. Ei­nen Raum, in dem alle Fra­gen ge­stellt wer­den konn­ten – selbst wenn es, wie Jana Zöll es for­mu­lier­te, „Gift­schrank­fra­gen“ wa­ren. Fra­gen also, die man sich oft­mals nicht traut zu stel­len oder von de­nen man nicht weiß, ob und wie man sie äu­ßern “darf“. Da­bei zeig­te sich, dass es wich­tig ist, sie in die Ge­sprä­che zu in­te­grie­ren. „Denn“, so Zöll, „die­se Fra­gen blei­ben da, auch wenn sie nicht aus­ge­spro­chen oder be­son­ders ‘kor­rekt’ um­schrie­ben wer­den“. Und das schürt auf lan­ge Sicht nur noch mehr Angst vor der Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Men­schen mit und ohne Be­hin­de­rung. „Wenn das Ge­sag­te ernst ge­nom­men wird, fügt sich der Rest von selbst“, fass­te Zöll die­se ver­meint­li­che Hür­de zu­sam­men.

Am ers­ten Tag be­rich­te­ten Jana Zöll in ei­nem Im­puls­vor­trag und Lui­sa Wöl­lisch im Ge­spräch mit Jan Mey­er ein­drück­lich von ih­ren ei­ge­nen Er­fah­run­gen. Von Dis­kri­mi­nie­rung und Aus­schluss, aber auch von Mut und Durch­hal­te­ver­mö­gen. Es war und ist be­rüh­rend und wich­tig, die­se Stim­men zu hö­ren. Das Sym­po­si­um ent­pupp­te sich als der ge­eig­ne­te Ort da­für. Die Work­shops am zwei­ten Tag bo­ten die Ge­le­gen­heit, aus­führ­lich so­wie fo­kus­siert in klei­nen Grup­pen zu ar­bei­ten. Die Teil­neh­men­den zeig­ten eine spür­ba­re Of­fen­heit und es wur­de klar, dass hier in kur­zer Zeit eine Ar­beits­grup­pe ent­stand, die wirk­lich et­was ver­än­dern will. Am Ende des Ta­ges stell­ten Stu­die­ren­de so­wie Leh­ren­de als Ver­tre­ter*in­nen ih­rer je­wei­li­gen Klein­grup­pen die ge­sam­mel­ten Er­geb­nis­se, Im­pul­se und Fra­gen vor. Sil­ke Rü­din­ger fass­te zu­sam­men: „Es war ein kon­zen­trier­tes und gu­tes Mit­ein­an­der. Das Sym­po­si­um hat für ei­nen sol­chen Aus­tausch den rich­ti­gen Rah­men ge­setzt und eine ver­trau­ens­vol­le Ebe­ne ge­schaf­fen.“ Bei der an­schlie­ßen­den von Al­run Ho­fert mo­de­rier­ten Pa­nel-Dis­kus­si­on war Platz für ab­schlie­ßen­de Fra­gen, Ide­en und die Fra­ge „Quo va­dis, Schau­spiel­schu­len?“.

Dass ein sol­ches Sym­po­si­um über­haupt in die­ser Art mög­lich war, ist vor al­lem auch der Ver­dienst der rand­stad stif­tung, die sich seit 2005 mit bil­dungs- und be­rufs­be­zo­ge­nen Pro­jek­ten für eine in­no­va­ti­ve, ge­mein­schaft­li­che und mensch­li­che Ar­beits­kul­tur en­ga­giert. Die Stif­tung setzt sich da­bei be­son­ders da­für ein, dass Men­schen und Or­ga­ni­sa­tio­nen Ver­än­de­run­gen in der Lern- und Ar­beits­welt er­ken­nen, ver­ste­hen und nach­hal­tig in kon­struk­ti­ve Hand­lun­gen um­set­zen. Ein Fo­kus der Stif­tung liegt auf dem The­men­feld Bar­rie­re­freie Teil­ha­be in Bil­dung und Be­ruf. Ihre Un­ter­stüt­zung des Sym­po­si­ums war für alle Be­tei­lig­ten eine gro­ße Be­rei­che­rung und trug dazu bei, wirk­lich ins Han­deln zu kom­men.

Schließ­lich kön­nen nur kon­kre­te Schrit­te die Hoch­schu­le zu ei­nem Ort der Viel­falt ma­chen, in dem Kunst ge­mein­sam und von al­len her­vor­ge­bracht, re­flek­tiert und neu ge­dacht wer­den kann. Zu­stim­mung und Un­ter­stüt­zung er­fuhr das Sym­po­si­um auch durch die Hes­si­sche Thea­ter­aka­de­mie, ein Ver­bund al­ler an der Thea­ter­aus­bil­dung be­tei­lig­ten Hoch­schu­len in Hes­sen so­wie die Hes­si­schen Staats- und Stadt­thea­ter und dar­über hin­aus auch Thea­ter in Ba­den-Wür­tem­berg und Rhein­land-Pfalz. 
 

Ex­pert*in­nen und Künst­ler*in­nen

  • Jana Zöll (Schau­spie­le­rin und freie (Per­for­mance-)Künst­le­rin)
  • Al­run Ho­fert (Schau­spie­le­rin und En­sem­ble­mit­glied am Schau­spiel Han­no­ver)
  • Lui­sa Wöl­lisch (Schau­spie­le­rin und En­sem­ble­mit­glied an den Münch­ner Kam­mer­spie­len)
  • Jan Mey­er (Au­tor, Re­gis­seur, In­klu­si­ons­ex­per­te)
  • Dr. Gus­ta­vo Fi­ja­l­kow (Com­pa­ny-Ma­na­ger im Be­reich des in­klu­si­ven Tan­zes, Dra­ma­turg, Ku­ra­tor, For­scher und Fes­ti­val­lei­ter)

Or­ga­ni­sa­tor*in­nen