Hie Romantiker, hie Klassizist?

news

Überlegungen zum „Romantischen“ bei Spontini und zum „Klassischen“ bei Weber

Prof. Dr. Anselm Gerhard (Bern)

Spontini und Weber dürfen als Antipoden im Berliner Musikleben der 1820er Jahre verstanden werden. Die städtischen Funktionseliten haderten mit einer Personalentscheidung des Königs Friedrich Wilhelm III., der offensichtlich einem Höfling alter Schule berufen wollte und ebenso offensichtlich Weber dessen Engagement in den Befreiungskriegen nachtrug. 
 
Auch musikalisch erscheint der in Neapel ausgebildete und im Empire Napoleons erfolgreiche Spontini als Vertreter vergangenen Prunks im Vergleich zu seinem zwölf Jahre jüngeren Kollegen, der – nicht nur in „Der Freischütz“ (1821) – so überzeugend einen „romantischen“ Ton zu treffen wusste. Doch verlaufen historische Prozesse nie linear und widerspruchsfrei. Nicht nur in der berühmten „Wolfsschlucht“-Szene liegt der Teufel im Detail. Eine genauere Betrachtung der Gestaltung von Melodien und Steigerungsformen in Opern der beiden Komponisten führt zu überraschenden Ergebnissen: In den Solonummern seiner Opern bleibt Weber regelmäßig aufgebauten Modellen der Jahre um 1800 verhaftet, während Spontini das Korsett der überkommenen Taktmetrik bis zum Äußersten dehnt, bisweilen sogar sprengt.
 
Der Gastvortrag findet im Rahmen des DFG-Projekts „Wahrnehmungs- und Wirkungsformen der Oper, Berlin ca. 1815–1828“ (Prof. Dr. Fabian Kolb) statt und ist Teil der Vortragsreihe „Forschung an der Kunsthochschule“ 2022.
We
29.06.
2022_Gastvortrag_Prof. Dr. Gerhard
(Foto: Anselm Gerhard)

Zur Person

Anselm Gerhard lehrte von 1994 bis 2021 als ordentlicher Professor für Musikwissenschaft an der Universität Bern. Die europäische Oper gehört zu seinen Forschungsschwerpunkten. Seit 2016 gibt er die Zeitschrift „verdiperspektiven“ heraus, in denen er zuletzt verschiedene Aufsätze zu überraschenden Entdeckungen in den seit 2019 zugänglichen Skizzen und Entwürfen in Verdis Nachlass publizierte.

Fragen & Kontakt