Prozess- und Evaluationsforschung zum Präventionsprogramm für Tänzer*innen

Validität von verschiedenen (digitalen) Gesundheitsparametern für das Wohlbefinden und Verletzungsprävention im Tanzstudium

Wintertanzprojekt
(Foto: Valentin Fanel)

Hintergrund und Beschreibung

Untersuchungen zeigen durchweg einen hohen Prozentsatz von Verletzungen bei Tänzern auf Hochschulebene. Winden (2019) stellte fest, dass 97 % der Studierenden des zeitgenössischen Tanzes mindestens eine Verletzung meldeten, wobei die Verletzungshäufigkeit bei 81 % lag. In ähnlicher Weise berichtete Allen (2012) von einer Gesamtverletzungshäufigkeit von 4,4 Verletzungen pro 1000 Stunden in einer professionellen Ballettkompanie. Baker (2010) stellte fest, dass 89 % der Studierenden des zeitgenössischen Tanzes über eine oder mehrere Verletzungen berichteten, mit einer hohen Prävalenz in den unteren Gliedmaßen. Trentacosta (2017) wies auch auf das signifikante Auftreten von Hüft- und Leistenverletzungen bei Tänzern hin, mit einer Gesamtrate von 17,2 %. Diese Studien unterstreichen insgesamt das hohe Verletzungsrisiko bei Tänzer:innen auf Hochschulebene.

Knöchel und Fuß sind laut aktuelleren Studien am häufigsten betroffen (Rinonapoli, 2020; Smith, 2015). Überlastungsverletzungen sind besonders häufig, wobei Amateurtänzer im Vergleich zu professionellen Tänzern einen höheren Anteil an diesen Verletzungen aufweisen (Smith, 2015), was darauf hinweist, dass eine Professionalisierung bereits präventiv wirkt. Spezifische Muskel-Skelett-Erkrankungen wie Kniesehnenzerrung, Knöchel-Tendinopathie und Schmerzen im unteren Rückenbereich sind bei Balletttänzern weit verbreitet (Smith, 2016).

Auf diesem Hintergrund sind Präventionsprogramme unerlässlich. Die Abteilung Zeitgenössischer und Klassischer Tanz (Zukt) der Hochschule hat bereits verschiedenen Maßnahmen zur Prävention implementiert und anfänglich mit eigenen Lehraufträgen, später mit externen Dienstleistern abgedeckt. Aktuell wird daran gearbeitet, dass das Präventionsprogramm mit eigenen Lehrenden durchgeführt werden kann und insbesondere Studierende eigenständig präventive Maßnahmen durchführen können und diese auch individuell zugeschnitten sind. Bei dem neuen Aufsetzen des Präventionsprogramms ist eine begleitende Evaluationsforschung ist daher wichtig, damit identifiziert werden kann, welche Feedbackschleifen über den Studierenden helfen selbstständig zu arbeiten.

Zusammenfassend zielt die Forschung darauf ab, Gesundheitsparameter zu evaluieren, die für die Prävention im Tanzstudium besonders geeignet sind, insbesondere, wenn sie von Studierenden eigenständig genutzt werden können. Dadurch kann der Fokus stärker auf die psychosoziale Gesundheit von Studierenden gelegt und die Ausbildungsqualität durch evidenzbasierte Empfehlungen zur Verletzungsprävention verbessert werden.

 

Methodik

Um die Wirksamkeit des Präventionsprogramms für Tänzer:innen zu evaluieren, wird eine gemischte Methode angewendet, die sowohl quantitative als auch qualitative Daten umfasst.

  • Stichprobe und Teilnehmer:innen:  Die Studie wird an Studierenden der Abteilung Zeitgenössischer und Klassischer Tanz der HfMDK durchgeführt. Es wird angestrebt, eine repräsentative Stichprobe der insgesamt 36 Studierende im 1.-3. Jahr zu rekrutieren.
  • Datenerhebung: Der Ansatz verbindet qualitative und quantitative Daten. Aufgrund des Designs der Feldforschung mit einem Jahr als Erhebungszeitraum, ist ein Ziel die Größen zu finden, die für Studierende den meisten Nutzen in der Prävention bringen, insbesondere mit dem Ziel des Empowerments, so dass Studierende perspektivisch eigenständig diese Parameter erheben und zur Selbstreflexion nutzen können.
  • Quantitative Daten:

Gesundheitsparameter: Zu den gemessenen Gesundheitsparametern gehören körperliche Fitness, Beweglichkeit, Kraft, Ausdauer, Verletzungshäufigkeit und Stressmessungen mittels Herzfrequenzvariabilität. Diese Parameter werden zu Beginn (Baseline), in der Mitte und am Ende der Studienlaufzeit erhoben.

Digitale Tools: Die Studierenden nutzen Wearables und Apps, um tägliche Aktivitätslevel, Schlafqualität und andere relevante Gesundheitsdaten zu erfassen. Diese Daten werden in bestimmten Zeitintervallen gesammelt und analysiert.

  • Qualitative Daten:

Fragebögen: Standardisierte Fragebögen zur Selbstwahrnehmung des körperlichen Wohlbefindens und zur Zufriedenheit mit dem Präventionsprogramm werden zu denselben Zeitpunkten wie die quantitativen Daten erhoben.

Feedbackgespräche: In regelmäßigen Abständen werden Feedbackgespräche mit den Studierenden geführt, um detaillierte Einblicke in ihre Erfahrungen und Wahrnehmungen des Programms zu erhalten.

  • Datenanalyse:

Quantitative Daten: Statistische Methoden werden verwendet, um Veränderungen in den Gesundheitsparametern über die Zeit zu analysieren. Regressionsanalysen und Varianzanalysen (ANOVA) werden eingesetzt, um signifikante Unterschiede zwischen den Zeitpunkten zu identifizieren.

Qualitative Daten: Die gesammelten Feedbackbögen und Interviews werden inhaltsanalytisch ausgewertet, um zentrale Themen und Muster zu identifizieren. Eine thematische Analyse wird verwendet, um qualitative Daten zu codieren und zu interpretieren.

Die Studie wird unter Einhaltung der ethischen Richtlinien der HfMDK und des Datenschutzgesetzes durchgeführt. Alle persönlichen Daten der Studierenden werden anonymisiert und sicher gespeichert.

 

Umsetzung und Arbeitsphasen

Die erste Arbeitsphase, die sich über zwei Monate erstreckt, umfasst die vorbereitenden Maßnahmen für die Durchführung der Studie. In diesem Zeitraum erfolgt der Aufbau eines Netzwerks aus teilnehmenden Studierenden, das als Grundlage für die Rekrutierung der Proband:innen dient. Parallel dazu werden die erforderlichen Messinstrumente, insbesondere Wearables und Apps, eingerichtet und kalibriert, um eine zuverlässige Datenerhebung zu gewährleisten. Zudem werden die Einverständniserklärungen sowie die notwendigen Informationen zum Datenschutz erstellt und an die Teilnehmenden verteilt.

Die zweite Arbeitsphase erstreckt sich über einen Zeitraum von sechs Monaten und umfasst die Datenerhebung sowie die anschließende Aufbereitung der Ergebnisse. Zu Beginn dieser Phase werden Baseline-Messungen durchgeführt, um Ausgangswerte für die weitere Analyse zu erfassen. Im weiteren Verlauf erfolgt die regelmäßige Erhebung sowohl quantitativer als auch qualitativer Daten. Die gesammelten Informationen werden fortlaufend überprüft und für die anschließende Auswertung systematisch aufbereitet.

Die dritte Phase, die über einen Zeitraum von zwei Monaten angesetzt ist, konzentriert sich auf die Auswertung der erhobenen Daten sowie die Aufbereitung der Ergebnisse für die wissenschaftliche Verwertung. Dabei werden die quantitativen Daten statistisch ausgewertet und die qualitativen Daten einer systematischen Inhaltsanalyse unterzogen. Auf Basis dieser Auswertungen wird ein ausführlicher Bericht erstellt. Zudem erfolgt die gezielte Aufbereitung der Ergebnisse für eine mögliche Publikation und Präsentation in wissenschaftlichen Kontexten.

 

Ausblick

Erste Ergebnisse wurden auf der Tagung „Tag der Forschung“ 2024 an der HfMDK präsentiert. Weitere Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift („peer-reviewed“) veröffentlicht und neue Entwicklungen fortlaufend auf dieser Website aktualisiert.

 

Damian Gmür und Henrik Göhle