Fulminanter Auftakt: Das Duo Lembeck Ogura

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Beim Kon­zert­abend im Holz­hau­sen­schlöss­chen mit Phi­li­ne Lem­beck (Vio­lon­cel­lo) und Mi­ha­ru Ogu­ra (Kla­vier) traf Bach auf Schnitt­ke und Dusa­pin, Klas­sik auf zeit­ge­nös­si­sche Ei­gen­krea­tio­nen und In­no­va­ti­on

Zu­sam­men mit der Frank­fur­ter Bür­ger­stif­tung star­te­te die HfMDK am 26. Ja­nu­ar 2023 eine neue Kon­zert­rei­he für Kam­mer­mu­sik: Vor­aus­hö­ren. Das Duo Lem­beck Ogu­ra spiel­te das Er­öff­nungs­kon­zert.

„Vor­aus­hö­ren“ ist da­bei nicht nur der Name der Ver­an­stal­tungs­se­rie, son­dern auch das Ge­bot der Stun­de. Denn wie Prof. Cars­ten Wie­busch, der die Pro­fes­sur Or­gel am Fach­be­reich 1 (Künst­le­ri­sche In­stru­men­tal­aus­bil­dung) in­ne­hat, in sei­ner Er­öff­nungs­re­de er­klär­te, ist das Vor­aus­hö­ren in drei­er­lei Hin­sicht ein in­te­gra­ti­ver Part des Mu­si­zie­rens: So muss­te etwa schon Jo­hann Se­bas­ti­an Bach die Töne vor­aus­hö­ren, um sei­ne Stü­cke kom­po­nie­ren zu kön­nen. Auch En­sem­ble­mit­glie­der*in­nen müs­sen im ge­mein­sa­men Spiel ge­fühl­voll er­ah­nen kön­nen, wo­hin die Klän­ge der an­de­ren In­stru­men­te hin­füh­ren. Und in ei­ner abs­trak­te­ren Wei­se müs­se auch die Hoch­schu­le „vor­aus­hö­ren“ in ih­ren Ent­schei­dun­gen dar­über, wie sie Leh­re ge­stal­ten will.

Mit die­sen Wor­ten und Ver­glei­chen noch im weiß ver­tä­fel­ten Kon­zert­saal des Holz­hau­sen­schlöss­chens nach­hal­lend, be­tra­ten Phi­li­ne Lem­beck und Mi­ha­ru Ogu­ra die Büh­ne und er­öff­ne­ten den Abend mit Bachs Sui­te Nr. 3 in C-Dur in ei­ner Be­ar­bei­tung von Ro­bert Schu­mann. Phi­li­ne Lem­beck, Mas­ter­stu­den­tin der Kam­mer­mu­sik mit ei­nem Schwer­punkt in Neue Mu­sik bei Prof. Lu­cas Fels und Prof. Tim Vog­ler, und Mi­ha­ru Ogu­ra, die seit 2019 im Mas­ter­stu­di­en­gang, dann im Kon­zert­ex­amen bei Prof. Flo­ri­an Höl­scher stu­diert, ent­war­fen das Pro­gramm des Abends selbst. Statt ei­nen li­nea­ren Ab­lauf zu prä­sen­tie­ren, mach­ten die bei­den Künst­le­rin­nen, wie sie selbst sa­gen, „das Knis­tern in Span­nungs­fel­dern hör­bar“. In rund 75 Mi­nu­ten lo­te­ten Lem­beck und Ogu­ra auf dem Vio­lon­cel­lo und Kla­vier in ei­nem fes­seln­den Spiel die Gren­zen zwi­schen dem Er­wart­ba­ren und dem Un­be­kann­ten aus. Die Ur­auf­füh­rung von Mi­ha­ru Ohu­ras Stück „Étu­de sur le vide pour vio­lon­cel­le et pia­no“ – das aus dem Ja­pa­ni­schen ins Fran­zö­si­sche über­setzt wur­de, weil es nicht mög­lich war, den ja­pa­ni­schen Ti­tel mit den rich­ti­gen Nu­an­cen ins Deut­sche zu über­set­zen – er­höh­te die­se Am­bi­va­lenz noch ein­mal.

Mit den je­weils in­di­vi­du­ell kon­zi­pier­ten Kon­zert­pro­gram­men ver­mit­teln die aus­ge­wähl­ten En­sem­bles der Rei­he „Vor­aus­hö­ren“ ei­nen je­weils ei­gen­stän­di­gen und in­no­va­ti­ven An­satz, Kam­mer­mu­sik zu er­fah­ren und ab­seits des gän­gi­gen Re­per­toires zu ent­de­cken. Ge­för­dert wer­den die En­sem­bles da­bei mit Ar­beits­sti­pen­di­en, die der Ro­ta­ry Club Frank­furt am Main / Rö­mer fi­nan­ziert. Zum Ar­beits­auf­trag ge­hört auch, sich über die Ver­mitt­lung des in­no­va­ti­ven Pro­gramms Ge­dan­ken zu ma­chen. Das Duo Lem­beck-Ogu­ra kon­zi­pier­te in die­sem Rah­men ein klei­nes be­glei­ten­des Book­let, in dem zahl­rei­che Fra­gen und Ge­dan­ken­spie­le dazu ein­lu­den, sich nicht nur wäh­rend des Kon­zerts, son­dern auch da­nach mit dem Ge­hör­ten aus­ein­an­der­zu­set­zen. Die­se Aus­ein­an­der­set­zung konn­te ganz pri­vat oder im an­schlie­ßen­den Aus­tausch mit den an­de­ren Be­su­cher*in­nen und den bei­den Mu­si­ke­rin­nen pas­sie­ren. Durch die sorg­fäl­tig aus­ge­wähl­ten Fra­gen an das Pu­bli­kum ent­stand da­bei ein nach­hal­ti­ger Kon­zert­be­such, der nicht nur dem Vor­aus­hö­ren ge­wid­met war, son­dern der Re­fle­xi­on des Hö­rens an sich. Die bei­den Künst­ler*in­nen ent­schleu­ni­gen da­durch für ei­nen Mo­ment die Schnell­le­big­keit un­se­res hek­ti­schen All­tags. Fra­gen wie „Ha­ben Sie an­de­re Ge­räu­sche wahr­ge­nom­men als die von der Büh­ne?“ oder „Emp­fan­den Sie die Zu­sam­men­stel­lung der Stü­cke beim Hö­ren als zu an­stren­gend?“ sor­gen da­für, dass man ei­nen kur­zen Au­gen­blick in­ne­hal­ten und die ei­ge­ne Wahr­neh­mung be­fra­gen kann.

Nach dem Kon­zert ka­men bei ei­nem Glas Wein oder Was­ser zahl­rei­che Kon­zert­be­su­cher*in­nen der Auf­for­de­rung des Duos nach, mit ei­ge­nen Fra­gen ins Ge­spräch mit den an­we­sen­den Stu­die­ren­den und Leh­ren­den zu kom­men. Fra­gen wie „Macht es ei­nen Un­ter­schied, ob Sie Wer­ke von Kom­po­nistin­nen oder Kom­po­nis­ten spie­len?“, „War­um ha­ben Sie die Pro­gramm­ab­fol­ge so auf­ge­bro­chen ge­stal­tet?“ und „Seit wann spie­len Sie zu­sam­men?“ in­ter­es­sier­ten das Pu­bli­kum und sorg­ten für ei­nen an­ge­reg­ten und an­re­gen­den Ab­schluss des Kon­zert­abends.

Dem Duo Lem­beck Ogu­ra ist durch sei­nen An­satz ein viel­ver­spre­chen­der und über den Abend hin­aus­wir­ken­der Auf­takt der Kon­zert­rei­he ge­lun­gen. Denn viel­leicht hal­len dem*der ein*en oder an­de­ren Be­su­cher*in auch in Zu­kunft noch ei­ni­ge der Klän­ge des Abends im Ohr nach, wenn er*sie das nächs­te Mal in dem klei­nen Heft­chen blät­tert.

Part­ner und För­de­rer

Die Vor­aus­hö­ren-Rei­he wird groß­zü­gig von dem Ro­ta­ry Club Frank­furt Rö­mer und dem Freun­de- und För­der­kreis der Frank­fur­ter Bür­ger­stif­tung un­ter­stützt. Am 04. Mai geht die Kon­zert­se­rie mit dem En­sem­ble Ev­vi­va! in die zwei­te Run­de.

Porträt von Philine Lembeck
(Foto: Janine Guldener)

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Philine Lembeck begann ihr Studium im Fach Barockcello bei Kristin von der Goltz an der Hochschule für Musik und Theater München. 2015 wechselte sie an die Hochschule für Musik Freiburg, um sich bei Elena Cheah und Jean-Guihen Queyras dem modernen Cello zu widmen. Nach dem Bachelor absolvierte sie 2021 dort ihr Masterstudium und studiert nun im Kammermusik Master mit Schwerpunkt Neue Musik bei Lucas Fels und Tim Vogler an der HfMDK Frankfurt.

Porträt von Miharu Ogura
(Foto: Sho Kubota)

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Die Pianistin und Komponistin Miharu Ogura wurde in Tokio geboren und lebt jetzt in Frankfurt. Nachdem sie 2018 beim internationalen Klavierwettbewerb in Orléans sieben Preise einschließlich des Kompositionspreises "André Chevillon – Yvonne Bonnaud" gewonnen hatte, begann sie, ihre internationale Karrier aufzubauen. Tourneen und Projekte führten sie bereits ins europäische Ausland, z.B. Darmstädter Ferienkurse, ManiFeste, Royaumont, Klangspuren Schwaz, Festival Mixtur, Monopiano Festival und andere. Ihre erste CD "Ogura Plays Stockhausen" wird im Februar 2023 bei thanatosis veröffentlicht. Seit 2019 studiert sie im Masterstudiengang, dann im Konzertexamen bei Florian Hölscher an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt.

Die nächsten Konzerte