Fehler als Lernpotenzial. Die große Musikpädagogin Maria Spychiger geht in den Ruhestand

pressemitteilung

Den roten Stift, mit denen Lehrkräfte Schüler*innen Fehler markieren, kennt jedes Kind. Maria Spychiger hat sich empirisch mit dem Phänomen „Fehler“ beschäftigt. Sie hat Fragebögen entwickelt, um den Unterrichtsalltag hinsichtlich Lernorientierung, Fehlerfreundlichkeit, Normtransparenz und Fehlerangst zu untersuchen. Sie hat festgestellt, dass der Fehler als Lernpotenzial oft unterschätzt wird, und gefordert, dass aus Fehlern mehr gelernt werden könnte. Deshalb fordert sie eine Fehlerkultur in unseren Schulen, die dem Lernen förderlich ist und die Entwicklung des personalen Selbst der Schüler*innen ebenso wie der Schulklasse als soziales System unterstützt. Maria Spychiger hat das Fachgebiet der Musikpädagogik geprägt. Sie hat Generationen von Musikpädagog*innen geholfen, ein klares, durch empirische Studien gestütztes Verständnis von Lehren und Lernen zu entwickeln.

Mitte 2008 wurde die Musiklehramt-Ausbildung von der Goethe Universität Frankfurt an die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt (HfMDK) verlagert. Gleichzeitig stand die HfMDK mit der Neubesetzung der musikpädagogischen Professuren nach Pensionierung der damaligen Lehrstuhlinhaber vor der inhaltlichen Neuausrichtung ihrer Musikpädagogik. In dieser Situation folgte Prof. Dr. Maria Spychiger dem Ruf an die HfMDK. Fast zwei Jahrzehnte lang hat sie seither die Entwicklung der Musikpädagogik als Studien-, Lehr- und Forschungsgebiet in Frankfurt geprägt und daneben die Weiterentwicklung der HfMDK aktiv mitgestaltet – u.a. als Leiterin des von ihr initiierten Studiengangs Master Musikpädagogik, als Vorsitzende des Promotionsausschusses sowie als Vizepräsidentin der HfMDK. 

Am Freitag, den 13. Juni, verabschiedet sich Prof. Dr. Maria Spychiger ab 18.15 Uhr im Kleinen Saal der HfMDK mit der Abschiedsvorlesung Connecting patterns. Von der Bedeutsamkeit des Ästhetischen in äußeren und inneren Welten – umrahmt von musikalischen und weiteren Beiträgen ihrer Kolleg*innen und Studierenden in den Ruhestand. Am folgenden Samstag, den 14. Juni, gestalten ehemalige und aktuelle Doktorand*innen von Prof. Dr. Maria Spychiger – ab 10.30 Uhr im Kleinen Saal, ab 14 Uhr in St. Jakob (Kirchplatz 9, 60487 Frankfurt am Main, U-Bahn 6/7 Haltestelle „Kirchplatz“) – einen Tag mit Workshops zu Dimensionen und Projekten der ästhetischen Bildung.

Fr
13.06.
Sa
14.06.

Maria Spychiger hat die Musikpädagogik an der HfMDK neu aufgestellt – insbesondere durch ihre empirischen Forschungsansätze zur Lehr-Lern-Forschung: wie beispielsweise ihre Studien zum Musikalischen Selbstkonzept, das Lernen aus Fehlern und die Entwicklung einer lernförderlichen Fehlerkultur, ihre Beiträge zum ästhetischen Urteil sowie ihre wissenschaftliche Begleitung zum Schulprojekt „Primacanta“ und die Suche nach strukturellen Merkmalen in Kompositionsprozessen von Kindern im Rahmen der Begleitforschung des Response-Projekts. 
Viele der Themen haben Nachwuchsforscher*innen zu eigenen Arbeiten angeregt, von denen einige in Workshops am 14. Juni vertreten sein werden. Sie repräsentieren eine Offenheit für neue Forschungsfragen und ein Verständnis der Musikpädagogik als Forschungsdisziplin, die in einer produktiven Wechselwirkung zur Unterrichtspraxis steht. Und sie zeigen, wie sich die Musikpädagogik als eigenständige wissenschaftliche Disziplin mit vielfältigen methodischen Facetten und Forschungsfragen interdisziplinär etabliert hat.

»Spychiger versteht Musikpädagogik als ganzheitlichen Prozess der menschlichen Selbstbestimmung. Ihr Denken und Handeln wird durch große Achtung für den einzelnen Menschen bestimmt. Ausgangspunkt ihrer Pädagogik ist Anerkennung. Dieses „Du bist okay“ ist für sie Startpunkt einer gemeinsamen Entdeckungsreise von Lehrperson und den Lernenden, nicht die Feststellung eines Mangels, der durch pädagogisches Tun überwunden werden müsste. Es ist nur konsequent, dass sie ihre Forschungen auf das musikalische Selbstkonzept, dessen Entwicklung und Förderung im Unterricht, auf das Lernen aus Fehlern und die Entwicklung von Fehlerkultur fokussierte.«HfMDK Präsident Prof. Elmar Fulda

Neben ihrer Fachkompetenz waren es nicht zuletzt ihr großes Engagement, ihre ansteckende Neugier, ihre beharrliche Präzision durch die sie auch die Forschung an der HfMDK stark beeinflusste. Gemeinsam mit Ingo Diehl, dem für den Forschungsbereich verantwortlichen HfMDK-Vizepräsidenten, sowie der transdisziplinär besetzten Forschungskommission richtete sie ein Forschungsreferat ein und etablierte die breite Förderung von inhaltlich und methodisch unterschiedlichen Erkundungsvorhaben. 

»Mit all ihrem Engagement gab sie selbst ein wunderbares Beispiel dafür, was Forschung an einer Kunsthochschule sein kann und sein soll. In der Zusammenarbeit an diesen Themen war sie ebenso umsichtig wie kritisch, wenn es um die Beurteilung von Recherchevorhaben und strategische Ausrichtungen der Hochschule ging. Ihr Denken, ihr pädagogisches Gespür, ihr stetiger Einsatz über Fachbereichs- und disziplinäre Grenzen hinaus werden an der Hochschule fehlen.«HfMDK-Vizepräsident Prof. Ingo Diehl

„Maria Spychiger hat für unsere Institution den Begriff der Forschung an der Kunsthochschule geprägt. In ihm kommt alles zusammen, was wir besonders gut können: uns Welten ästhetisch zu erschließen, diese zu gestalten und kommunikativ zu vermitteln. Danke für lange Jahre Lehre, Forschung und Engagement an der HfMDK, liebe Maria Spychiger”, verabschiedet Präsident Elmar Fulda die langjährige Kollegin und Wissenschaftlerin.

Portrait M.Spychiger

Pressefoto: Prof. Dr. Maria Spychiger; Foto: Luise Zuther

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