„Die Sprache des Jazz lernen“

interview

Die HfMDK star­tet ei­nen Stu­di­en­gang mit der Big­band des Hes­si­schen Rund­funks: den Mas­ter Big­band – Spie­len, Schrei­ben, Lei­ten. Er bringt In­stru­men­ta­list*in­nen, Kom­po­nist*in­nen, Ar­ran­geur*in­nen und Di­ri­gent*in­nen mit den Mu­si­kern des re­nom­mier­ten Jazz­ensem­bles zu­sam­men. Ralph Abe­lein spricht mit Olaf Stötz­ler, dem Ma­na­ger der Band, und dem Trom­pe­ter Axel Schlos­ser über die Chan­cen die­ser welt­weit ein­zig­ar­ti­gen Ko­ope­ra­ti­on.

In­ter­view: Ralph Abe­lein

»Das Besondere ist, dass die Studierenden die Möglichkeit haben, mit uns zu arbeiten, und wir nicht nur im Kämmerlein unterrichten, sondern unser Wissen, unsere Erfahrung direkt an sie weitergeben. Das hat, im positiven Sinne, etwas von einer Lehre obendrauf – Lehre im handwerklichen Sinne.«Axel Schlosser, Solotrompeter der hr-Bigband

Ralph Abe­lein: Die hr-Big­band ist an der Hoch­schu­le kei­ne Un­be­kann­te, ihr seid seit vie­len Jah­ren gern ge­se­he­ner Gast beim HfMDK Jazz­fest. Jetzt, nach ei­ner zwei­jäh­ri­gen Kon­zep­ti­ons­pha­se, freu­en wir uns dar­auf, ge­mein­sam mit euch ei­nen neu­en Jazz­stu­di­en­gang zu star­ten. Freut sich die hr-Big­band auch?

Olaf Stötz­ler: Na­tür­lich. Der Stu­di­en­gang ist das Er­geb­nis ei­nes lan­gen Pro­zes­ses, ich emp­fand un­se­re Zu­sam­men­ar­beit im­mer als sehr frucht­bar und ziel­ge­rich­tet. Wir sind froh, dass Frank­furt wie­der ei­nen sol­chen Stu­di­en­gang be­kommt, zu­mal die Ko­ope­ra­ti­on auch sehr gut zu un­se­ren ei­ge­nen Zie­len passt: Als Hes­si­scher Rund­funk, als Trä­ger der hr-Big­band und Ver­an­stal­ter des Deut­schen Jazz­fes­ti­vals be­ken­nen wir uns ja zu die­ser Mu­sik, zu die­sem Kul­tur­gut. Und wir sind als öf­fent­lich-recht­li­che An­stalt zu­gleich ei­nem Bil­dungs­auf­trag ver­pflich­tet. Na­tür­lich hof­fen wir, dass die Ko­ope­ra­ti­on uns auch selbst wei­ter­bringt – es geht ja um Nach­wuchs, es geht um eine  Pro­fes­sio­na­li­sie­rung in die­sem Be­reich. Wir freu­en uns dar­auf, neue Ta­len­te zu ent­de­cken und zu för­dern, dar­auf, un­ser Wis­sen und un­ser Know­how wei­ter­ge­ben zu kön­nen. Von sei­ner Kon­zep­ti­on her ist der Stu­di­en­gang wirk­lich ein­zig­ar­tig.

Posaunistin mit ihrem Instrument in der Hand, lächelnd zum Betrachter gewendet.
(Foto: Robert Schittko)

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Zum Wintersemester 2022/23 richten wir einen neuen Masterstudiengang ein, der durch sein einmaliges Profil die künstlerische Jazzausbildung in Deutschland bereichert. Unser Partner ist die hr-Bigband, eine der weltweit renommiertesten Formationen ihrer Art. Die Kooperation ermöglicht ein praxisnahes Lehrangebot, das Brücken in die Berufswelt schlägt. Bewerbungsphase: 1. April bis 31. Mai.

Ralph Abe­lein: Mas­ter­stu­di­en­gän­ge für Jazz gibt es meh­re­re. Axel, was ist das Be­son­de­re an dem Mas­ter­stu­di­en­gang Big­band, so wie wir ihn kon­zi­piert ha­ben?

Axel Schlos­ser: Dass die Stu­die­ren­den die Mög­lich­keit ha­ben, mit uns zu ar­bei­ten, und wir nicht nur im Käm­mer­lein un­ter­rich­ten, son­dern un­ser Wis­sen, un­se­re Er­fah­rung di­rekt an sie wei­ter­ge­ben. Das hat, im po­si­ti­ven Sin­ne, et­was von ei­ner Leh­re oben­drauf – Leh­re im hand­werk­li­chen Sin­ne. So eine Ko­ope­ra­ti­on gibt es bis­her ein­fach nicht, egal ob die Stu­die­ren­den In­stru­men­te spie­len, schrei­ben oder lei­ten wol­len. Wir wis­sen zwar noch nicht, wer letz­ten En­des In­ter­es­se ha­ben wird, aber wir sind sehr ge­spannt und hof­fen auf ei­nen re­gel­rech­ten An­sturm an gu­ten Leu­ten. Das In­ter­es­se in der Band ist auf je­den Fall ziem­lich groß, sprich: Es möch­ten alle gern mit­ma­chen und auch un­ter­rich­ten. Ein­ma­lig ist für Stu­die­ren­de auch, dass sie mit un­se­ren Gäs­ten in Be­rüh­rung kom­men kön­nen, mit in­ter­na­tio­na­len So­lis­tin­nen, So­lis­ten, Ar­ran­geu­rin­nen und Ar­ran­geu­ren. Das ist ein gro­ßer Bo­nus.

Ralph Abe­lein: Du hast ge­ra­de von ei­ner Leh­re ge­spro­chen. Man ist Ge­sel­le, wird spä­ter Meis­ter, macht den Mas­ter. Was lernt man in die­ser Leh­re – ganz mu­si­ka­lisch-kon­kret?

Axel Schlos­ser: Was wir im Rund­funk mit der hr-Big­band ma­chen, könn­te man als Tä­tig­keit ei­nes Stu­dio­mu­si­kers be­schrei­ben, der aber live spielt. Das heißt, es kann al­les Mög­li­che auf­tau­chen an Sti­len, die wir na­tür­lich auf höchs­tem Ni­veau ab­lie­fern müs­sen. Im Grun­de kön­nen die Leu­te da­bei Fle­xi­bi­li­ät ler­nen. Man muss gut vom Blatt le­sen, man muss eine erst­klas­si­ge En­sem­ble­spie­le­rin oder ein erst­klas­si­ger En­sem­ble­spie­ler sein und dar­über hin­aus auch erst­klas­sig als So­lis­tin oder So­list. Und die An­for­de­run­gen sind viel­schich­tig: Von ‚Wie spie­le ich ei­nen Pop­song?‘ bis zu ‚Wie be­we­ge ich mich in fast frei im­pro­vi­sier­ter groß­or­ches­tra­ler Ma­te­rie?‘

Olaf Stötz­ler: Da­mit ent­spricht der Stu­di­en­gang ge­nau dem, was ei­nem im Be­rufs­le­ben als Jazz­mu­si­ke­rin oder Jazz­mu­si­ker täg­lich wi­der­fährt. Wenn man da schon im Stu­di­um nah dran ist, so wie bei uns, in­dem man wirk­lich mit­macht und in den or­ga­ni­schen Kör­per auch ein­taucht, dann ist das eine der bes­ten Vor­be­rei­tun­gen auf den Be­ruf, die man krie­gen kann. Wir neh­men auf, wir pro­ben, wir spie­len Kon­zer­te, wir ma­chen Was-weiß-ich-was. Das sind vie­le Fa­cet­ten, so wie Axel es be­reits er­wähnt hat: in ver­schie­de­ner Sti­lis­tik, in ver­schie­de­nen Si­tua­tio­nen – mal rein Stu­dio, mal Kon­zert, mal live im Ra­dio, mal ge­streamt.

Ralph Abe­lein: Auch Stu­die­ren­de mit dem Schwer­punkt Schrei­ben kom­men di­rekt mit euch in Kon­takt, kön­nen ihre Kom­po­si­tio­nen und ihr Ma­te­ri­al in je­dem Se­mes­ter drei Stu­dio­ta­ge lang mit euch um­set­zen.

Olaf Stötz­ler: Eine Idee, die wir zum Bei­spiel für die Stu­die­ren­den in die­sem Schwer­punkt ha­ben, ist auch: Dass sie sich, wie im ech­ten Le­ben, auf ei­nen Auf­trag ein­stel­len. Wir be­auf­tra­gen je­man­den da­mit, zum Bei­spiel die Mu­sik von Mi­les Da­vis oder Jel­ly Roll Mor­ton oder Stee­ly Dan zu be­ar­bei­ten. Wir sa­gen Stu­die­ren­den also nicht nur, komm mit dei­ner Mu­sik, son­dern ge­ben ih­nen hier ein Su­jet vor. Nur um die ei­ge­nen Kom­po­si­tio­nen kann es nicht ge­hen, es muss auch ge­übt wer­den, sol­che An­for­de­run­gen zu er­fül­len.

Foto von Axel Schlosser beim Spielen der Trompete.
Axel Schlosser ist seit 2002 Solotrompeter der hr-Bigband. Er ist auch Leader eigener Formationen und als gefragter Gastsolist aktiv. (Photo: Ben Knabe)

Ralph Abe­lein: Mit dem Schwer­punkt Lei­ten gibt es noch eine drit­te Fa­cet­te. Hier ge­hen wir eher in die Brei­te, in die Nach­wuchs­ar­beit. Die Big­band als Klang­kör­per hat ja ei­nen fes­ten Platz ge­fun­den an Schu­len, an Mu­sik­schu­len, im se­mi­pro­fes­sio­nel­len Be­reich, in der Ju­gend­ar­beit. Wie seht ihr da die Sze­ne?

Axel Schlos­ser: Ich den­ke, die Sze­ne ist so­wohl sta­bil als auch wach­send, al­lein aus fak­ti­schen Grün­den – im Prin­zip hat man ja eine fes­te Be­set­zung, man kommt gut an No­ten­ma­te­ri­al ran und kann mit den jun­gen Leu­ten auch schon al­les Er­denk­li­che üben: vom Blatt le­sen, gu­tes En­sem­ble­spiel, gu­tes Com­ping, gu­tes So­lie­ren. Dass Big­bands so be­liebt sind und auch im­mer be­lieb­ter an Schu­len wer­den, hat also vie­le Grün­de, und ei­ni­ge Schü­ler­en­sem­bles, die wir er­lebt ha­ben, sind wirk­lich er­staun­lich gut, weil sich an der Ba­sis Leu­te da­für ein­set­zen und un­heim­lich rüh­rig sind.

Olaf Stötz­ler: Dazu noch ein an­de­rer As­pekt: Na­he­zu alle gro­ßen Jazz­so­lis­ten ha­ben in ei­ner Big­band an­ge­fan­gen oder sind durch die­se Schu­le ge­gan­gen. Mi­les Da­vis oder John Col­tra­ne zum Bei­spiel, oder heu­te Till Brön­ner. Big­bands wa­ren schon im­mer In­sti­tu­tio­nen, um die Spra­che des Jazz zu ler­nen, sich mit an­de­ren aus­zu­tau­schen und in ei­nen künst­le­ri­schen Dia­log zu tre­ten.

Ralph Abe­lein: Zu gu­ter Letzt: Er­war­tet Ihr euch Im­pul­se für die lo­ka­le Jazz­sze­ne durch die HfMDK und den Stu­di­en­gang?

Olaf Stötz­ler: Ich wür­de es mir wün­schen. Letzt­lich ent­ste­hen le­ben­di­ge Mu­sik­sze­nen ja auch dort, wo Schu­len sind – das ist be­stimmt nicht der ein­zi­ge Fak­tor, aber ein wich­ti­ger. Wir soll­ten es schaf­fen, das Rhein-Main-Ge­biet all­ge­mein auf­zu­wer­ten und at­trak­ti­ver zu ma­chen. Es gibt eine le­ben­di­ge Sze­ne, es gibt auch ge­ra­de hier in Frank­furt neue Clubs, die eine tol­le Ar­beit ma­chen. Jazz Mon­tez bei­spiels­wei­se mit all den vie­len Ver­an­stal­tun­gen, ob im Ate­lier­frank­furt oder in der Milch­sack­fa­brik. Wenn wir da noch den Schul­ter­schluss mit Mainz su­chen und das aufs gan­ze Rhein-Main-Ge­biet, auch auf Wies­ba­den, Darm­stadt be­zo­gen den­ken, kann das ei­gent­lich nur gut wer­den.

Axel Schlos­ser: Da­von bin ich auch über­zeugt. Rhein-Main hat als Me­tro­pol­re­gi­on schon ziem­lich viel zu bie­ten, das Bild ist bis­her nur ein we­nig dif­fus. Aber wenn man aufs Gan­ze guckt, gibt es vie­le Mög­lich­kei­ten, um auf­zu­tre­ten und neue Pro­jek­te aus­zu­pro­bie­ren. Und ich den­ke, dass der Stu­di­en­gang und die Leu­te, die durch ihn hier­her kom­men, da­bei hel­fen kön­nen, die Sze­ne auf­zu­wer­ten. Wie Olaf schon sag­te: Wenn al­les mehr zu ei­ner Rhein-Main-Sze­ne zu­sam­men­wächst, wäre das wirk­lich eine schö­ne Sa­che.

Im Ge­spräch

Zwei ganz in weiß gekleidete Schauspieler*innen machen eine Bogenschieß-Bewegung
(Foto: Marvin Fuchs)

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In der aktuellen Ausgabe unseres Magazins sprechen wir über Empowerment. Wir fragen, was wir als Hochschule tun können, damit die Menschen, die bei uns studieren und arbeiten, die uns ihr Talent, ihre Begeisterung und ihr Engagement anvertrauen, sich als selbstwirksam erleben, gesund bleiben und gerne bei uns sind.