Besuch am Institut National des Arts in Kinshasa
Im Rahmen ihres Dissertationsvorhabens hospitiert die Promotionsstudentin Anna-Katharina Kürschner an der kongolesischen Musikhochschule und kehrt damit in die Stadt zurück, in der sie vor ihrem Schulmusikstudium einen Freiwilligendienst absolvierte.
Mitten in der kongolesischen Hauptstadt befindet sich das Institut National des Arts – kurz INA. Mein Besuch am Institut im Februar 2024 wurde über meinen Bekannten und INA-Alumnus Mechac Ngoma ermöglicht. Das INA dient seit 1967 der Ausbildung in Musik, Theater und Kulturmanagement, fördert traditionelle und zeitgenössische Kultur und forscht u. a. zum immateriellen Erbe des Landes.
Aus wenig viel zu machen, ist in Kinshasa eine notwendige Tugend.
Das Gebäude ist voller Musik und wenig schallisoliert. Aus den Fenstern dringen Blechblastonleitern in Dreierbindungen, und Chopins Regentropfen-Prélude wird übertönt von einem Saxophon. In unterschiedlichsten Stilrichtungen ertönen alle erdenklichen Instrumente, es wird gesungen und getrommelt. Tonleitern werden vierhändig geübt, weil Klaviere fehlen.
Die Eignungsprüfung am INA fragt statt musikalischer Kompetenzen Kenntnisse in Mathematik, Französisch und Allgemeinbildung ab. Im Studium wählt man dann ein klassisches und ein traditionelles Instrument und erhält – zumindest theoretisch – Einzelunterricht. Aufgrund des Raummangels findet der Unterricht häufig auf dem Flur oder im Hof statt, sodass sich automatisch Gruppenunterrichtskonstellationen ergeben. Unterrichtet werden außerdem Solfège, Musiktheorie, Chorgesang, Geschichte und Sprachen. Außerdem gibt es Fächer wie „Audition“ (Analyse), „Ästhetik“ (Kritik von Stücken) und „Ethik“ (Moralerziehung für Musiker*innen). Improvisationstechniken, Professionelle Praktiken, Ensemblespiel sowie Informatik, Tontechnik und Englisch ergänzen das Curriculum.
Wider alle strukturellen und finanziellen Herausforderungen leistet das INA einen wichtigen Beitrag zur künstlerischen und akademischen Entwicklung des Kongos.
Nach dem Hospitieren erzähle ich, dass ich auch Musik studiert habe. Spontan soll ich etwas vorsingen, was so gar nicht zu meiner klassischen Ausbildung passt. Wir improvisieren alle zusammen: Einer stimmt die kongolesische Rumba auf dem Klavier an, die Gruppe trommelt, klatscht, singt dazu – es wird in und durch Musik kommuniziert. Selten habe ich Musik erlebt, die sich so sehr nach MEHR angefühlt hat. Danach geht es in die Bibliothek: Instrumente zum Verleihen und spiralgebundene Arbeiten, in denen Studierende traditionelle Musik analysieren und orchestrieren. Leider ist das Papier durch die hohe Luftfeuchtigkeit stark angegriffen. Die kongolesische Musikethnologie steht noch am Anfang. Bevor ich gehe, muss ich versprechen, mich nach Sachspenden in Form von Instrumenten, Saiten, Mundstücken und Noten umzuhören.
- Anna-Katharina Kürschner promoviert bei Prof. Dr. Maria Spychiger zu einem interkulturellen, chorpädagogischen Thema. Von 2016 bis 2022 studierte sie Gymnasiallehramt an der HfMDK. Seit 2017 arbeitet sie als Chorleiterin mit verschiedenen Laienchören. Ihre Promotion wird durch ein Stipendium der Stiftung Polytechnische Gesellschaft Frankfurt am Main gefördert.

