6K UNITED! – von der Kraft der Vielen und der Größe der Einzelnen

Viele Kinder, die beim 6K United Konzert mitsingen
(Foto: Till Weber)
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6K UNITED! – 6.000 Kin­der pro Kon­zert, 16 Shows von Ber­lin bis Mün­chen, Songs aus Pop, Folk­lo­re und Klas­sik. HfMDK-Pro­fes­sor Fa­bi­an Senn­holz – künst­le­ri­scher und päd­ago­gi­scher Lei­ter – und sei­ne 18-köp­fi­ge Live-Band ha­ben auf der dies­jäh­ri­gen Tour fast 100.000 Nach­wuchs­sän­ger*in­nen für das Mot­to „Ich bin, weil wir sind“ be­geis­tert. Mit dop­pelt so vie­len Auf­trit­ten wie 2024 wächst das Pro­jekt ste­tig.

Im Ge­spräch mit Prof. Dr. Chris­ti­na Rich­ter-Ibáñez er­klärt Senn­holz, wie das Zu­sam­men­spiel ein­zel­ner Stim­men, ge­ziel­te Stil­le und be­wuss­te Re­duk­ti­on die ma­gi­sche Wir­kung von 6K UNITED! er­zeugt.

DO­KU­MEN­TA­TI­ON: DR. SYL­VIA DENN­ER­LE

Prof. Dr. Chris­ti­na Rich­ter-Ibáñez: 6K UNITED! – was ist der Grund­ge­dan­ke, wo­her stammt die Idee?

Prof. Fa­bi­an Senn­holz: In den vie­len Schul­pro­jek­ten mit den Stu­die­ren­den an der HfMDK habe ich er­lebt, wie sehr Schü­ler*in­nen in ei­nem pro­fes­sio­nel­len Rah­men auf­blühen. Kom­bi­niert mit mei­nem ei­ge­nen Er­le­ben gro­ßer Büh­nen ent­stand der Wunsch. ge­nau die­ses Selbst­ver­trau­en in die ei­ge­nen Fä­hig­kei­ten auch den Schü­ler*in­nen zu ver­mit­teln, de­nen zu Hau­se oder in der Schu­le die nö­ti­gen Res­sour­cen und Zu­gän­ge zur Mu­sik feh­len. Das Er­geb­nis ist ein Ge­mein­schafts­kon­zert mit Kin­dern aus al­len Schul­for­men, so­zia­len Schich­ten und Kul­tu­ren auf höchs­tem Ni­veau. Kein „net­tes Kin­der-Event“, son­dern ein mit­rei­ßen­des Er­leb­nis für alle Be­tei­lig­ten.

Wie funk­tio­niert 6K UNITED!?

Pro Kon­zert fül­len je­weils 6.000 Kin­der – in ein­zel­nen Schul­klas­sen und frei­en Chö­ren – die eine Hälf­te der Are­na, die an­de­re be­setzt das Pu­bli­kum. Die Vor­be­rei­tung zu die­sen Ab­schluss­kon­zer­ten pas­siert be­reits weit früher – ge­mein­sam mit den je­wei­li­gen Lehr­kräf­ten und Lei­ter*in­nen der be­tei­lig­ten Schu­len und Chö­re. Ge­mein­sam er­ar­bei­ten sie mit ih­ren Schul­kids und dem von uns ei­gens zum Pro­jekt ent­wi­ckel­ten Ma­te­ri­al die Songs und Cho­reo­gra­fi­en. Die Ge­ne­ral­pro­be ist die ein­zi­ge ge­mein­sa­me Pro­be mit al­len Be­tei­lig­ten – vor dem knapp zweis­tün­di­gen Live-Kon­zert.

Wie viel Team steckt hin­ter dem Kon­zept – be­vor ihr auf die Büh­ne geht?

Al­les ist nur im und mit dem Team mög­lich. An­fangs habe ich noch viel al­lei­ne ge­macht. Dar­an bin ich fast ge­schei­tert – auch ge­sund­heit­lich. Um das Pro­jekt wirk­lich pro­fes­sio­nell um­zu­set­zen, brauch­ten wir mehr Köp­fe. Mitt­ler­wei­le sind wir or­ga­nisch ge­wach­sen: Stu­die­ren­de sind fest ein­ge­stie­gen – jede und je­der hat eine kla­re Rol­le. No­ten, Songs und Cho­reo­gra­fi­en, Au­dio­mix, Song­books, Un­ter­richts­ma­te­ri­al, Übe-CDs und Vi­de­os so­wie Übungs­tipps und mo­du­la­re Un­ter­richts­ein­hei­ten ent­wi­ckeln wir im Team. Die­ses Mehr an In­spi­ra­ti­on und Krea­ti­vi­tät macht un­se­re Show bun­ter und viel­fäl­ti­ger.

Die Stu­die­ren­den sam­meln da­bei prak­ti­sche Er­fah­run­gen. Wel­che da­von sind auf die päd­ago­gi­sche Ar­beit in der Schu­le über­trag­bar?

Un­ser Pro­jekt – in­klu­si­ve des spe­zi­ell da­für er­stell­ten Ma­te­ri­als – ist so kon­zi­piert, dass so­wohl fach­frem­de als auch pro­fi­lier­te Lehr­kräf­te ih­ren Schü­ler*in­nen ei­nen le­ben­di­gen, be­geis­tern­den Mu­sik­un­ter­richt bie­ten kön­nen. Die Kin­der ler­nen spie­le­risch mu­si­ka­li­sche Grund­kom­pe­ten­zen, Rhyth­mus­ge­fühl und Stimm­füh­rung. Sie sind die Stars, die Lehr­kräf­te fun­gie­ren als Coa­ches. Das Kon­zert­er­leb­nis zum Ab­schluss in der Are­na: Zu­sam­men mit tau­sen­den Kin­dern in die­sem rie­si­gen Chor, be­glei­tet von der pro­fes­sio­nel­len Live-Band mit ei­ner be­ein­dru­cken­den Licht- und Büh­nen­show. Die­ses Ge­fühl, ge­mein­sam Gro­ßes zu schaf­fen und über sich hin­aus­zu­wach­sen, bleibt un­ver­gess­lich – für die Schü­ler*in­nen, die Lehr­kräf­te und für die Stu­die­ren­den. Fe­lix, der jetzt sei­ne letz­te Tour be­glei­tet, be­ginnt im Herbst sei­nen Schul­dienst. Ich bin si­cher, die­ses Pro­jekt hat ihn da­von über­zeugt, wie be­rei­chernd und in­spi­rie­rend mo­der­ner Mu­sik­un­ter­richt sein kann.

Blick in das riesige Stadion bei 6K United
(Foto: Till Weber)

Wo ziehst du Gren­zen und ent­schei­dest: Das ma­che ich nicht?

Sehr früh stand die Fra­ge im Raum: Kön­nen wir die Songs nicht vor­her auf­neh­men – un­ter Stu­dio­be­din­gun­gen? 6.000 Kin­der in der Are­na sind akus­tisch kaum ver­ständ­lich. Für mich war je­doch von An­fang an klar: Das Er­leb­nis für Kids und Pu­bli­kum muss live sein. Wir stre­ben zwar best­mög­li­che Klang­qua­li­tät an, aber wir trick­sen nicht! Au­ßer­dem steht der Chor im Mit­tel­punkt der Show – auch wenn wir ge­zielt Spe­cial Ef­fec­ts ein­set­zen.

Wie fin­det ihr das rich­ti­ge Maß zwi­schen Show und Stil­le?

Heu­te sind wir 18 Mu­si­ker*in­nen mit ech­ten In­stru­men­ten – Blä­ser-und Strei­cher­grup­pen etc. – und meh­re­re Sän­ger*in­nen, die im Kon­zert über­all in den Chö­ren un­ter­wegs sind, so­dass auch die wei­ter ent­fernt sit­zen­den Kin­der voll in­te­griert sind. Für die Band gilt also: Mehr ist mehr. Bei den Ar­ran­ge­ments je­doch nicht zwin­gend. Die­ses Mal gibt es zahl­rei­che A-cap­pel­la-Pas­sa­gen, in de­nen nur der Chor zu hö­ren ist. Den größ­ten Mo­ment der Stil­le er­le­ben wir vor dem Lar­go aus Dvořáks 9. Sin­fo­nie „Aus der Neu­en Welt“; ein Schü­ler von ihm hat hier­zu den Text ge­schrie­ben: „Go­ing home“. Zu­vor kra­chen bei dem „Ban­ger“ „Wir sind United“ die Kon­fet­ti­ka­no­nen – dann bit­te ich um voll­kom­me­ne Ruhe. 6.000 Kin­der er­zeu­gen ab­so­lu­te Stil­le, alle hal­ten den Atem an und war­ten auf den Ein­satz des Or­ches­ters. Die­ses kol­lek­ti­ve In­ne­hal­ten ist für mich ma­gisch.

Im gro­ßen Mit­ein­an­der „eins“ wer­den – ist das 6K UNITED!?

Gut vor­be­rei­te­tes Ma­te­ri­al lässt selbst un­er­fah­re­ne Stim­men zu ei­nem Klang­kör­per ver­schmel­zen. Bei 15 Chor­sän­ger*in­nen müs­sen alle auf­ein­an­der ein­ge­stimmt sein. Je grö­ßer die Grup­pe, des­to ho­mo­ge­ner der Klang. Au­ßer­dem set­zen wir bei 6K UNITED! auf höchs­te Pro­fes­sio­na­li­tät: beim maß­ge­schnei­der­ten Un­ter­richts­ma­te­ri­al, bei der mo­derns­ten Tech­nik und bei Band und Chor. Ob Zweit­kläss­ler*in­nen, Gym­na­si­ast*in­nen oder För­der­schü­ler*in­nen – alle er­le­ben sich als Teil ei­nes pro­fes­sio­nel­len Klang­kör­pers. Die­ses Ge­mein­schafts­ge­fühl macht sie stolz und stärkt ihr Selbst­be­wusst­sein – eine Rück­mel­dung, die uns Lehr­kräf­te im­mer wie­der be­stä­ti­gen.

Nach der Tour ist vor der Tour – ihr steckt be­reits in den Pla­nun­gen für 2026. Was neh­men dei­ne Stu­die­ren­den mit?

Im kom­men­den Se­mes­ter ana­ly­sie­ren wir das Pro­jekt: Wir hin­ter­fra­gen die Kri­te­ri­en zur Song­aus­wahl und re­flek­tie­ren die di­dak­ti­sche Auf­be­rei­tung und Un­ter­richts­pra­xis. Das er­wei­tert das päd­ago­gi­sche Re­per­toire der Stu­die­ren­den enorm. Gleich­zei­tig be­flügelt der di­rek­te Aus­tausch mit den Schu­len und den ein­ge­bun­de­nen Lehr­kräf­ten alle Be­tei­lig­ten. Und die­ser En­thu­si­as­mus wie­der­um steckt im güns­tigs­ten Fall die Schü­ler*in­nen an und weckt in ih­nen den Wunsch, selbst Mu­sik­leh­rer*in­nen zu wer­den. Des­halb eh­ren wir in je­der Show die Lehr­kräf­te mit ei­nem to­sen­den Son­der­ap­plaus – als Dank für ih­ren un­ver­zicht­ba­ren Bei­trag zum Pro­jekt­er­folg.

Dr. Chris­ti­na Rich­ter-Ibáñez ist Pro­fes­so­rin für Mu­sik­wis­sen­schaft mit Schwer­punkt Per­for­mance Stu­dies, zeit­ge­nös­si­sche und po­pu­lä­re Mu­sik so­wie Aus­bil­dungs­di­rek­to­rin für Lehr­amt L3 an der HfMDK.

Fa­bi­an Senn­holz ist Pro­fes­sor für En­sem­ble­ar­beit, Band­coa­ching und Grup­pen­mu­si­zie­ren so­wie stellv. Aus­bil­dungs­di­rek­tor für die Lehr­äm­ter an der HfMDK. Als Mu­si­cal Di­rec­tor und Pia­nist lei­te­te er vie­le Jah­re die Band des Deutsch­pop-Sän­gers Tim Bendzko.

Schwarz-weiß Bild einer jungen Frau, die im Foyer der HfMDK an einem Geländer hängt, wie an einer Turnstange.
(Foto: Maximilian Borchardt)

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Wie viel ist ge­nug? Zwi­schen Über­fluss und Man­gel, zwi­schen krea­ti­ver Fül­le und not­wen­di­ger Re­duk­ti­on: Wir fra­gen, wann we­ni­ger mehr sein kann – und wann ganz si­cher nicht. Ein Blick auf künst­le­ri­sche Pra­xis, Bil­dungs­ge­rech­tig­keit und ak­tu­el­le Hoch­schul­po­li­tik.